Erinnerungen

Freitag, 15. September 2006

Mein erstes Auto

Ich hatte nicht erwartet, zu meinem 18. Geburtstag einen fahrbaren Untersatz zu bekommen. Statt dessen hatte ich mich frühzeitig mit dem Gedanken angefreundet, weiterhin Bus und Bahn zu nutzen und an den Wochenenden meinen Freunden den unliebsamen Fahrerposten zu überlassen.
Was mich am Morgen des besagten Tages erwartete, war ein Umschlag und ein orangefarbener Matchbox-Käfer. In der Karte stand: „Für das Original hat es leider nicht gereicht.“ War auch nicht schlimm. Als meine Mutter ihre Anspannung nicht länger unterdrücken konnte, drückte sie mir voller Freude einen ganzen Bund Schlüssel in die Hand. Meine Augen wurden groß und größer und ich stürmte zur Tür, um mein Auto in Augenschein zu nehmen.
"Da ist kein Käfer. Da steht nur so ein hässlicher Audi 80."
"Aber das ist doch Dein Auto." Oh, Fettnapf!
Beim näheren Hinsehen entpuppte sich der Audi als VW Derby. Ein Modell, das ich nie zuvor gesehen hatte. Dann war er auch noch weiß! Eine Farbe, die ich von Grund auf verabscheute. Egal. Hauptsache ein Auto! Ich machte mich mit meinem Auto vertraut. Schließlich wollten wir zusammen die Welt erobern, da konnte es nicht stören, wenn wir uns gut vertrugen. Nach und nach fand ich heraus, wofür die verschiedenen Schlüssel waren und dass ich sie tatsächlich alle brauchte. Einen für den Tankdeckel, einen für den Kofferraum, einen für die Fahrertür, einen für das Zündschloss. Das einzige Schloss, das keinen eigenen Schlüssel abbekommen hatte, war das an der Beifahrertür. Die zu verschließen ging nur auf Knopfdruck. Ein weiteres Novum: der Choke! Nie gehört. Nie gesehen. Kein Wunder, mein Auto, das ich liebevoll Herbie taufte, zum einen, um mich an den Käfer zu erinnern, den ich nie bekommen hatte und zum anderen, weil der Name sich so schön auf Derby reimte, hatte schon genauso viele Jahre auf dem Buckel wie ich.
In den folgenden Monaten und Jahren sollten Herbie und ich viel Spaß miteinander haben. Besser gesagt: Herbie trieb seinen Spaß mit mir. Das fing damit an, dass die Batterie kaputt war. Ich schrieb es meiner Unnachsichtigkeit zu, die Heckscheibenheizung nicht abgestellt zu haben. Stimmte nicht. Dann brach der Choke durch. Ich nahm wieder die Schuld auf mich. War ich anscheinend zu blöd, mit Choke zu fahren. Herbie konnte nichts dafür. Weniger lustig war es, als die Leerlaufdüse verstopft war und ich nicht langsamer als 40 fahren konnte, damit der Motor nicht ausging. Das machte sich besonders gut auf Straßen, die in eine Vorfahrtstraße mündeten. Mit angezogener Handbremse zu fahren, stellte für Herbie kein Problem dar. Es macht schlicht und ergreifend keinen Unterschied. Im Winter beschied er mir Frostbeulen als die Scheiben begannen, von innen einzufrieren, weil die Heizung ausgefallen war.
Aber wir hatten auch schöne Zeiten. In seinen Kofferraum passten problemlos vier Kisten Pils! Auf der Autobahn hängten wir so manches schnelleres Fahrzeug ab. Aber auch nur, wenn wir in einer 100-Zone fuhren und kein anderer den Mumm hatte, schneller als 120 zu fahren. Herbie war ein absoluter Blickfang und immer guter Gesprächaufhänger, hatte ich doch zwischenzeitlich alle seine Roststellen mit schwarzer Folie überklebt und weitere Flecken angebracht, so dass er wie eine Kuh anmutete. Böse Zungen behaupten, er hätte ausgesehen wie ein Dalmatiner. Stimmt nicht!
Endgültig trennten sich unsere Wege als die Feder unter dem Gaspedal brach. Das kam sozusagen einem Genickbruch gleich. Immer mit Vollgas durch die Straßen macht zwar Spaß, war aber spätestens an der nächsten Ampel nicht mehr lustig. So fand Herbie seinen Weg zum Autofriedhof und ich meine Erfüllung in einem Auto, das es mir ersparte, jeden Morgen zu beten, dass es ansprang.

Donnerstag, 7. September 2006

Nachschulung

Ich neige nicht zu Selbstgesprächen. Ich neige auch nicht zu Flüchen. Anders ist es, wenn ich Auto fahre und das Gefühl habe, außer mir seien nur Fahranfänger, Rentner und Besoffene unterwegs. Ich glaube, ich sollte das Autofahren aufgeben. Heute Morgen war ich wieder in so einer Situation. Ich hasse es, wenn jemand vor mir die linke Spur mit 120 Stundenkilometern blockiert. Ich hasse es, wenn Leute glauben, sie könnten vor mir einfädeln, auch wenn ich doppelt so schnell fahre wie sie. Ich gebe zu, ich neige dazu zu rasen. Ich lasse mich nicht durch Geschwindigkeitsbegrenzungen aufhalten, höchstens durch die Motorleistung meines Fahrzeugs.
Dieses Verhalten hat mir auch schon die ein oder andere Zahlungsaufforderung ins Haus flattern lassen und mir Einträge beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg beschert. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mein erster Eintrag allerdings auf einem anderen Vergehen und nicht auf zu schnellem Fahren fußt.
Ich war gerade mit einem Freund auf dem Weg nach Hause. Ich war über diese Ampel sicher schon 1000 Mal gefahren, gut, 990 Mal davon als Beifahrer. Zu dem Zeitpunkt hatte ich meinen Führerschein noch nicht allzu lang. Irgendwie, ich weiß nicht mehr, warum, sicher nicht mutwillig, in der Stellungnahme gab ich an, in der Sicht durch einen LKW behindert worden zu sein und nicht mehr richtig bremsen zu können, schaffte ich es, über die Ampel zu fahren, nachdem sie 1,8 Sekunden zuvor auf rot gesprungen war. Soweit ich weiß, liegt die Toleranz bei einer Sekunde. Ich nahm fast die doppelte Zeit in Anspruch.
Was folgte, lässt sich ganz einfach mit der Zahl 4 umschreiben. 4 Jahre Probezeit (2 zusätzliche Jahre brummte man mir auf), 400 Mark Bußgeld, 4 Punkte in Flensburg und 400 Mark für die Nachschulung. Das einzige, was mir erspart blieb, waren die 4 Wochen Führerscheinentzug. Darüber war ich auch sehr froh.
Für diejenigen, die es nicht wissen oder die zu Zeiten ihren Führerschein gemacht haben, als man von Probezeit nur träumen konnte, hier ein paar Worte zur Institution Nachschulung. Begeht ein Autofahrer während der Probezeit einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, die mit Bußgeld (im Gegensatz zum Verwarnungsgeld) geahndet wird, ist er verpflichtet, an einer Nachschulung teilzunehmen. Sonst droht Führerscheinentzug! Wer will das schon. Dazu trifft man sich fünf Mal mit anderen reuigen (?) Sündern zu zweistündigen Sitzungen, um über das Verhalten im Straßenverkehr im Allgemeinen und über die Vergehen der Einzelnen im Speziellen zu sprechen. Man kann sich das ähnlich einer Selbsthilfegruppe vorstellen. Nur lässt sich hier niemand freiwillig helfen. Der zweite Bestandteil ist eine Fahrprobe. Die Betonung liegt auf Probe, denn hier wird nicht über die Eignung entschieden. Sie dient lediglich Beobachtungszwecken. Jeder kann fahren wie er will. Das habe ich natürlich sogleich ausgenutzt. Es war toll, gleich drei Mal so viel PS unterm Arsch zu haben wie im eigenen Auto.
Wir waren schon ein lustiger Verein dort. Neben dem ewig Witze reißenden, ewig jungen, kettenrauchenden, stark klischeebehafteten Fahrschullehrer mit seinem Norwegerpulli und seinen ausgebeulten Hosen tummelten sich dort Jungs, die mit 121 km/h auf der Autobahn, 80 in einer Ortschaft oder ohne gültiges Nummernschild am Moped erwischt wurden. Die Damen hielten es eher mit Auffahrunfällen oder nicht beachteter Vorfahrt. Die einzige rote Ampel war ich.
Mit jedem Treffen wuchs unsere Gruppendynamik, wir bekamen Kaffee, soviel wir wollten (immerhin etwas für den Preis) und Keksmischungen, bei denen immer alle die mit dem Klecks Marmelade essen wollen und die trockenen Waffeln am Ende liegen bleiben, weil sie keiner mag. Zum letzten Treffen brachte sogar jemand Kuchen mit und wir feierten gemeinsam den Geburtstag der missachteten Vorfahrt. Mit einigen Leuten, die ich dort kennen gelernt habe, habe ich noch heute Kontakt. Es ist also gar nicht die schlechteste Möglichkeit, durch zu schnelles Fahren neue Menschen zu treffen. Aber sicherlich gibt es kostengünstigere.

Mittwoch, 6. September 2006

Infa 2006

Dieser Tage säumen wieder einmal Ankündigungsschilder für die Infa (nicht zu verwechseln mit der Ifa) die Landstraßen. Von der Erlebnis- und Einkaufsmesse ist dort die Rede. Im üblichen Sprachgebrauch firmiert die Infa in dieser Gegend allerdings als Hausfrauenmesse.
Als ich das erste Mal in diesem Jahr die Plakate erblickte, kamen mir die Erinnerungen an meine Besuche der Hausfrauenmesse wieder ins Gedächtnis. Der erste liegt schon eine ganze Weile zurück und muss in dem Alter stattgefunden haben, als ich mir gerade die Welt der Zahlen und Buchstaben erschloss. Meine Mutter erstand seinerzeit einen elektrischen Fusselentferner, mithilfe dessen sie die hässlichen Wollverknotungen von den selbstgestrickten Pullovern meines Vaters einfach abrasieren konnte. Außerdem weiß ich, dass an jedem Messestand kleine Becher mit Suppe und Schnittchen wohl feil geboten wurden, bei denen man sich nach Herzenslust bedienen konnte.
Mein zweiter Besuch der Hausfrauenmesse fand im Jahr der Expo in Deutschland statt. Einige Informierte werden sich erinnern: das war im Jahr 2000. Einige Bahnreisende, die es bis vor ein paar Wochen mal nach Hannover verschlagen hat, werden wissen, dass die Expo genau dort stattgefunden hat, weil sie mit den netten Worten ’Willkommen in der Expo- und Messestadt Hannover. Ihre nächsten Reisemöglichkeiten’ am Bahnsteig begrüßt wurden. Es würde mich nicht wundern, hätten sie sich gewundert, dass auch noch fast sechs Jahre nach der Expo noch immer darauf hingewiesen wird. Aber zurück zur Hausfrauenmesse.
Ich fuhr mit vier Freunden dort hin. Der Vater meines Freundes Walter (Freund, nicht Freund) hatten seinen uralten, verlotterten, ranzigen grausilberfarbenen Opel Kadett, Baujahr 1897 1987 zur Verfügung gestellt. Trotz wochenlanger, vorausgegangener Planung trat ich diesen Ausflug äußerst schlecht vorbereitet an. Am Abend zuvor hatte ich Bananenweizen und Pernod-Cola gefrönt und zwei Stunden Schlaf hatten meinen Blutalkoholspiegel nicht wesentlich gesenkt. Aber ich war guter Dinge und freute mich auf die bevorstehende Degustation Ausstellung. Die Autofahrt jedoch spielte mir einen bösen Streich. Mein Magen ging mit Walters Fahrweise nicht ganz konform. Zwei Mal bat ich ihn anzuhalten um austreten zu können. Zwei Mal war mein Vorhaben nicht von Erfolg gekrönt. Fast hatten wir unser Ziel erreicht, da war es soweit. Ich konnte meinen Körper nicht länger unter Kontrolle halten und folglich ergoss sich mein Mageninhalt über das Fenster und den Lack der hinteren Tür. Was bei meinen Mitfahrern für heiteres Gelächter sorgte, führte bei Walter zu Bedenken ob möglicher Lackschäden ausgelöst durch meine Magensäure. Jeder, der sich bereits einmal nach dem exzessiven Alkoholkonsum Alkoholgenuss ausgekotzt erbrochen hat, wird mich verstehen: ich fühlte mich wie neu geboren!
Bereit zu allen Schandtaten schenkte ich dem Ereignis keine weitere Beachtung, sondern stürzte mich voller Vorfreude ins Getümmel. Mit besonderer Freude schlug ich mir den Magen mit den besagten Schnittchen, Süppchen, Kaltgetränken, Heißgetränken, Brotaufstrichen, Kekschen, Käschen und Würstchen voll. Das war es, was ich nach der letzten Nacht brauchte und was einem bösen Kater vorbeugen würde. Nach unzähligen Stunden auf der Messe und unermesslichen Pfunden kostenloser Häppchen traten wir die Heimreise an. Sobald wir den Parkplatz verlassen hatten, schrumpfte mein Wohlbefinden zur Rosine. Ich bat Walter, etwas langsamer zu fahren und nicht so hart zu schalten. Aber auch seine versucht rücksichtsvolle Fahrweise trug zu keiner Besserung bei. All das kostenlose Essen, das ich an jeder Ecke nachgeschmissen bekam mühselig zusammen geklaubt hatte, verblieb nicht länger in meinem Magen, sondern suchte den schnellsten Weg nach draußen. Die Magensäure vom Vormittag hatte wider Erwarten noch kein faustgroßes Loch in den Lack und die Türverkleidung gefressen, sondern bekam statt dessen Verstärkung.
Rückblickend war Walter froh, nicht schon nach der ersten Attacke eine Waschanlage aufgesucht zu haben. So musste er nur einmal das Fahrzeug von Speiseresten und Mageninhalt befreien. Darin hatte er bereits Übung, musste er doch schon einmal das Erbrochene eines Mitschülers aufwischen, nachdem er so freundlich gewesen war, einen Eimer zu besorgen.
Ich werde Walter mal anrufen und fragen, ob er mit mir zur Infa fährt.

Montag, 31. Juli 2006

Jenny was a friend of mine -3-

Er kann nicht fassen, was er da gerade gehört hat. Er packt ihren Arm. Fest. So fest, dass sie ihm nicht entkommen kann. Sein Gesicht kommt ihrem immer näher. Er schnaubt vor Wut. Seine Wut ist so grenzenlos, dass er nichts mehr um sich herum wahr nimmt. Nicht ihre Schreie. Nicht ihr Flehen. Er hat nur noch einen Gedanken.
Seine Hände umschließen ihren Hals. Sein Griff wird fester. Er hört nicht, wie sie nach Luft schnappt. Wie nur noch ein leises Röcheln ihr entweicht, bevor sie jeden Widerstand aufgibt. Sie fällt in sich zusammen wie ein Ballon, aus dem langsam die Luft entweicht.
-Szenenwechsel-
Der Richter ist ein Mann mittleren Alters, der seine besten Tage bereits hinter sich hat. Er trinkt zu viel. Davon zeugt sein schwammiges Gesicht. Es haben sich eine Unmenge Schaulustiger und Vertreter lokaler und nationaler Presse an diesem Tag im Gerichtssaal eingefunden. Das Urteil wird mit Spannung erwartet. Niemand glaubt mehr an die Unschuld Brandon Flowers. Zu viele Indizien sprechen gegen ihn.
Die Jury betritt durch einen Seiteneingang den Saal. Der Vorsitzende verliest die Entscheidung der Jury. Als das Blitzlichtgewitter losbricht, schlägt der Kriminalbeamte die Hand vors Gesicht. Er hat verloren.
-Szenenwechsel-
Im Zwielicht einer schwachen Tischleuchte sind die Umrisse zweier Personen zu erkennen. Ein Mann hält seine Freundin im Arm. Eine fadenscheinige Decke bedeckt ihre Blöße. Die Frau schläft. Auf ihren Lippen ein seliges Lächeln. Die Kamera nimmt das Gesicht von Flowers in die Totale. Er grinst diabolisch. In seinen Augen lodert ein Feuer.

Sonntag, 30. Juli 2006

Rosarote Brille

"Nach gefühlt unendlichen Wochen der Lethargie bin ich so euphorisch, dass ich das Gefühl habe, zehn Zentimeter über dem Boden zu schweben statt auf ihm zu gehen. Folglich hat sich das allseits beliebte, grenzdebile Dauergrinsen auf meinem Gesicht breit gemacht und ich dröhne mich mit schon fast unerträglich seichter Musik zu. Meine Gedanken kreisen nur noch um eine Person. Eine Nacht, so kurz, doch gleichzeitig so lang, lang konnte ich es nicht erwarten, den Tag zu begrüßen, um die ganze Welt zu umarmen und mein Glück mit ihr zu teilen.
Ich bin regelrecht begeistert vom derzeitigen Zustand der annähernd pubertären Schwärmerei, hatte ich doch schon befürchtet, nie wieder so oder so ähnlich empfinden zu können. Doch all meine Befürchtungen wurden zerstreut und ich kann die Welt wieder einmal durch die rosarote Brille mit dem mir eigenen und lieben Enthusiasmus betrachten."
Das fand ich soeben in meinen Aufzeichnungen. Toll! Was war da nur los???

Samstag, 29. Juli 2006

Dirty Dancing

Wir waren für acht Uhr verabredet. Sie waren zu siebt. Zwei von ihnen hatte ich bereits mittags kurz im Vorbeigehen gesehen. Einer war mir schon länger bekannt. Wir hatten früher einmal eine kurze Affäre gehabt, die nicht mehr der Rede wert war.
Wir wurden einander vorgestellt und ich freute mich auf einen amüsanten Abend in dieser illustren Herrenrunde. Zunächst gingen wir in eine Cocktailbar, die ich schon des öfteren besucht hatte und von der ich wusste, dass sie gute Cocktails servierte. Niemand meiner Begleiter ließ es sich nehmen, einen Drink zu spendieren.
Ich würde lügen, würde ich behaupten, es nicht genossen zu haben, von allen Seiten umgarnt und mit Komplimenten überhäuft zu werden. Ich befand mich in der überaus glücklichen Lage, auswählen zu können, welchem dieser Männer ich an diesem Abend meine ganze Aufmerksamkeit zuteil werden lassen würde. An ernsthafte Entwicklungen war nicht zu denken, aber gegen einen netten Abend und eine nette Nacht sprach aus meiner Sicht nichts. Ich hatte nicht vor, mich auf eine feste Bindung einzulassen, erlaubte mir mein temporärer Aufenthalt in diesem Land dies nicht. Ich wollte davon absehen, mein Herz zu verschenken, um anschließend nicht von Liebeskummer und Schmerz heimgesucht zu werden.
Meine Wahl hatte ich sehr schnell getroffen. Er sah nicht nur umwerfend aus, sondern ihn umgab außerdem eine Aura, der ich mich schwer entziehen konnte. Er fesselte mich mit seinen blauen Augen, durch seine Art sich zu bewegen, zu sprechen und dadurch, subtile Berührungen herbeizuführen und diese dabei ganz zufällig erscheinen zu lassen. Er war ein umwerfender Tänzer. Eine Tatsache, die es mir seit jeher schwer macht, einem Mann zu widerstehen. Er wirbelte mich mit einer Leichtigkeit über die Tanzfläche und ich passte mich seinen geschmeidigen Bewegungen an. Es schien, als hätten wir nie etwas anderes getan als miteinander zu tanzen. Dabei waren wir uns wenige Stunden zuvor das erste Mal begegnet.
Als gegen zwei Uhr die Lichter angingen und der Club seine Pforten schloss, saßen wir bereits im Taxi. „Dass der Abend so endet“, raunte er mir ins Ohr, „damit hatte ich nicht gerechnet.“ Der Abend hatte gerade erst begonnen.

Dienstag, 25. Juli 2006

Beware of the Friseur

Soweit ich mich zurück erinnere und seitdem ich ein modisches Bewusstsein für meine Haarpracht an den Tag lege (sagen wir, seit meinem 6. Lebensjahr) gehe ich zu ein und derselben Friseuse.
Nach einem Unglück beim Real-Markt-Friseur, in dessen Hände meine Mutter mich seinerzeit unvorsichtigerweise gegeben hatte und der mich von meinen engelsgleichen Locken befreite und das wallende Kinderhaar durch eine an Körperverletzung grenzende Vokuhila ersetzte, suche ich die Friseurin meines Vertrauens auf. Ihr Salon ist eine halbe Tagesreise (so kam es mir als Kind zumindest vor) von meinem Wohnort entfernt und in noch tieferer Wildnis versteckt. Fazit: keine öffentlichen Verkehrsmittel, stets Sammelbesuche beim Friseur (um unnötige Fahrten zu vermeiden) und verständnislose Blicke von Bekannten, warum man denn nicht einen der unzähligen Haarschneider in der näheren Umgebung aufsuche.
Ganz einfach: diese Dame versteht ihr Handwerk, meine Mutter brachte mich auf sie, meine Mutter wiederum kam durch ihre Schwester zu ihr und jede weibliche Verwandte, die ich habe, lässt sich inzwischen von ihr die Haare waschen, schneiden, fönen.
Resultat: meine Friseurin kennt meine Lebensgeschichte. Sie kennt alle Irrungen, Wirrungen, die sich um mich und meine Familie ranken, manches Mal sogar erfahre ich von ihr Dinge über meine Nächsten, von denen ich bis zu dem Zeitpunkt nicht einmal etwas ahnte. Der Spruch, ich hätte keinen Friseur, dem ich meine Probleme erzählen könne, trifft bei mir absolut nicht zu.
Aber nicht das persönliche Verhältnis, das wir pflegen, ist der Grund, warum ich nach wie vor die strapaziöse Reise zu ihr aufnehme, sondern die Tatsache, dass sie mir jedes Mal so die Haare schneidet, wie ich es möchte. Sie hat noch jede Eskapade mitgemacht. Gut, bei mir beschränkt sich das auf Schnitte zwischen raspelkurz und ellenlang, aber auch das ist eine ganz schöne Brandbreite. Immer fühlte ich mich wie neu geboren, wenn ich im Auto nach Hause saß und statt auf die Fahrbahn nur in den Rückspiegel schaute.

Irgendwann aber, es war vor fast genau zwei Jahren, packte mich der Schalk im Nacken. Verrückte Ideen hatte ich schon viele (blaue Haare, grüne Haare, Undercut [so hieß das damals, sah aber auch schon immer scheiße aus]), in die Tat hatte ich keine davon umgesetzt. Vor zwei Jahren also befand ich mich in Leipzig, fernab meiner vergötterten Friseuse. Was ich wollte? Eine Dauerwelle! Eine ganz ganz tolle, die mein (ohnehin schon) voluminöses Haar noch voluminöser aussehen lassen sollte. Mein Haar reichte inzwischen bis zur Hälfte des Rückens und ich erhoffte, durch das Einkringeln nicht zu viel an Länge einzubüßen.
Statt sorgfältig einen vertrauenserweckenden Salon auszuwählen, entschied ich mich für den nächstgelegenen. "So viel kann man doch da nicht falsch machen", das dachte ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn.
Ich beschrieb der Dame mit großzügigen Bewegungen die Größe der Locken, die ich mir vorstellte. Sie sollten in etwa denen von Farah Fawcett zu Zeiten von Charly's Angels entsprechen. Sie nickte wissend und begann, die einzelnen Strähnen aufzuwickeln. Dass sie Wickler von der Größe meines kleinen Fingers wählte, störte mich nicht weiter. "Die Dame wird schon wissen, was sie tut", dachte ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn. Als ich nach dem Ausdrehen aussah wie Atze Schröders kleine Schwester, hatte ich die Hoffnung noch immer nicht verloren und hoffte auf das Fönen. "Das wird schon", dachte ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn.
Das Fatale: es wurde nicht. Ich sah aus wie Pudel, der zu lange die Zunge in die Steckdose gesteckt hatte und auch ein Zopfgummi schaffte kaum Abhilfe. Mit Zopf sah ich aus als hätte ich einen Wasserkopf.
Ich zahlte kommentarlos (ein Vermögen!) und ging stumm nach Hause, darauf konzentriert, mir einzureden, dass es schon nicht so schlimm sei. Nach dem Waschen würde es schon besser werden.
Zu Hause angekommen aber brach es aus mir heraus. Ich bekam einen regelrechten Weinkrampf, wie ich ihn seit der Trennung von meiner ersten Liebe nicht mehr erlebt hatte. Und was waren die Folgen? Es wurde nicht besser: mehr als anderthalb Jahre tagtägliches einmassieren von Pflegebalsam (ich kenne ALLE Haarglättungspräparate) bürsten, fönen, zu viel Haar, das ich lassen musste und die schreckliche Gewissheit, einen Fehler so lang büßen zu müssen.
Also bitte: Stete Vorsicht sei geboten bei der Wahl des Haarschneiders!

Donnerstag, 29. Juni 2006

Jenny was a friend of mine -2-

Flowers brüllt ihm ins Gesicht. Dabei haftet sein Blick auf dem des Polizisten. Hätte man ihm nicht die Handschellen angelegt, hätte er diese schon längst anderweitig eingesetzt. Er beteuert, sie nicht getötet zu haben. Warum auch? Sie war seine Freundin. Es gibt kein Motiv.
Ist das so? Gibt es kein Motiv?
-Szenenwechsel-
Man sieht einen Mann und eine Frau. Es dämmert. Der Tag zählt nur noch wenige Stunden. Beide gehen nebeneinander auf einem Steg. Der Mann versucht, seinen Arm um die Frau zu legen. Sie entwindet sich seinem Griff. Unruhe ist in ihren Augen zu lesen. Sie will etwas sagen, aber findet nicht die richtigen Worte. Sie bleiben stehen. Die Frau stützt sich mit den Armen auf einem Geländer ab. Sie starrt auf ihre Hände, die ineinander verschlungen sind. Ihre Finger scheinen sich aus einem nicht vorhandenen Knoten lösen zu wollen.
Der Mann stellt sich neben sie. Er weiß nicht, was vor sich geht. Er liebt sie. Er versucht, sie nicht zu bedrängen. Und doch will er wissen, was ihr Verhalten zu bedeuten hat.
Sie könne so nicht weiterleben, sagt sie. Ihre Beziehung sei so, wie sie jetzt ist, nicht mehr tragbar. Sie will sich von ihm trennen.
Ihn ihm steigt eine kalte Wut auf. Äußerlich hat er sich im Griff, aber in ihm kocht es. Er berührt sie an der Schulter. Ganz sacht. Aber in seinen Augen lodert ein Feuer, das Unheil verkündet.
tbc

Sonntag, 18. Juni 2006

Jenny was a friend of mine -1-

Eine ungemütliche, düstere Novembernacht. Einzige Lichtquellen sind die Suchscheinwerfer der Hubschrauber, die über dem Schilf kreisen. Die Propeller dröhnen.
Polizisten mit gelben Warnwesten leuchten mit ihren Stabtaschenlampen in die Ecken, die die Helikopter nicht erreichen können. Ein Polizist ruft seine Kollegen zu sich. Er hat etwas entdeckt. Langsam fährt die Kamera näher. Im knöchelhohen Wasser zeichnet sich schemenhaft die Leiche einer Frau ab.
-Szenenwechsel-
Brandon Flowers sitzt am Tisch in einem mit Neonröhren ausgeleuchteten Verhörzimmer. Er trägt Handschellen und einen durch Lethargie und Müdigkeit gezeichneten Gesichtsausdruck. Das Haar liegt eng an seinem Kopf an und die Ringe unter seinen Augen sind tief.
Ein schmierig aussehender Mitarbeiter der Staatspolizei im schlecht sitzenden Anzug tigert um den Tisch und konfrontiert Flowers mit den immer selben Fragen. In einem fort nippt er an einem braunen Plastikbecher, der unappetitlichen Automatenkaffee enthält.
Die Antwort, die er erhält, ist immer die selbe. Wäre nicht ein Kollege von der Streife zugegen, hätte er seinen Worten längst Taten folgen lassen.
Flowers hat genug. ('I just can't take this.') Er schlägt voller Wucht mit beiden Fäusten auf den Tisch. Ein leerer Plastikbecher fällt zu Boden. Er erhebt sich und sieht seinem Gegenüber direkt in die Augen.
tbc.

Sonntag, 4. Juni 2006

16

Durch einen Hinweis des wunderbaren Herrn Bandini gelangte ich zu diesem netten Artikel, der mich an eine ähnliche Situation erinnert.
Ich weiß, dass es zu pubertärer Spitzenzeit so war, dass Mädchen, respektive ich, Vorlieben für ältere Jungs hegten. Leider hatte man allzu oft damit zu kämpfen, dass diese Sympathie nur einseitiger Natur war und die Beachtung seitens des Objektes der Begierde ausblieb.
Wenn man 16 ist, gerade den Mopedführerschein in der Tasche hat, sich die ersten Haare an signifikanten Stellen des Körpers zeigen und anfängt, die jahrelang vertraute grundsätzliche Abneigung gegen Mädchen abzulegen, sucht Mann sich zunächst andere Bezugspersonen als die ungeschminkten, flachbusigen, verzahnspangten Exemplare aus der siebten Klasse. So war das zumindest noch vor ein paar Jahren, heutzutage erkennt man Mädchen zwischen 11 und 16 meist daran, dass sie nicht so aussehen, wie man sich vorstellt, dass sie aussehen. Sie tragen zu viel Schminke auf, sie tragen zu große Ohrringe, sie tragen zu kurze T-Shirts und überhaupt sehen sie aus, als seien sie durch die Bank der Retorte entsprungen, was das äußere Erscheinungsbild betrifft.
Wie dem auch sei, inzwischen gehöre ich nicht mehr jener Altersklasse an und durfte inzwischen in den Genuss kommen, das Phänomen 'Junge beginnt sich für Mädchen zu interessieren' von der anderen Seite betrachten.
Die Zeiten ändern sich. Und so heißt es heutzutage nicht mehr "Du bist zu jung für mich", sondern "Du bist zu alt für mich". Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Denn auch diejenigen jungen Herren, von denen junge Mädchen vergeblich träumen, gehen ihrerseits auf die Suche nach dem ersten Abenteuer. Sie suchen ihre Mrs. Robinson und haben keine Scheu, ihre Vorliebe für ältere Frauen zu zeigen.
Es kann erfrischend und amüsant sein, sich durch die Gesellschaft jüngerer Menschen, deren größtes Problem in der nächsten Mathearbeit besteht, für ein paar Stunden dem eigenen Leben zu entziehen. Es kann problematisch sein, wenn einer dieser Menschen Dir mehr als nur ein guter Freund ist und seine Erziehungsberechtigten, die de fakto auch diese Funktion ausüben, der Verbindung zwischen Dir und ihrem Schützling nicht wohl gesonnen sind. Da bedarf ein Treffen schon einmal akribischer Planung und strengster Geheimhaltung.
Frau liebt jüngeren Mann ist nach wie vor eine nicht überall akzeptierte Konstellation, die ohne Frage auch ihre Probleme birgt. Entweder ist es der Mann, der irgendwann einer jüngeren, scheinbar attraktiveren Dame den Vorzug gibt. Oder es ist die Frau, die die Sorglosigkeit und Unschuld, die sie anfangs so schätzte, gegen Sicherheit und Erfahrung austauscht. Dass der Mann, der diese Eigenschaften mitbringt, nicht mehr so formbar und einfach zu erziehen ist wie sein Vorgänger, daran zweifelt wohl niemand. Aber der Umgang mit dieser Spezies Mann steht auf einem anderen Blatt geschrieben...

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