Erinnerungen

Freitag, 21. März 2008

Ungewollte Reliquien

Was vor zehn Jahren seinen Anfang nahm und heute bei sehr vielen Kontakt knüpfenden Menschen schon fast gar nicht mehr wegzudenken ist, ist der rege Austausch von Kurzmitteilungen in der Kennenlernphase.
Es werden Glücksmomente erzeugt in den Sekunden und Minuten nachdem die plusminus 160 Zeichen im Speicher des Mobiltelefons angekommen sind, weil man weiß, dass das Objekt der Begierde jetzt gerade an einen denkt. Es werden peu à peu Informationen preis gegeben, die man in einem Gespräch vielleicht nicht so direkt erfragt hätte. Aus melancholischen Gründen habe ich die empfangene Hälfte dieser Kommunikation nie gelöscht. Ganz im Gegenteil habe ich sie in Momenten argen Verknalltseins immer wieder durch gelesen und mich an die Situationen zurück erinnert, in denen ich die Mitteilungen empfing.
Vor ein paar Wochen, im Bett liegend und auf einen Anruf wartend, nahm ich mir mein Handy zur Hand mit der Absicht, den SMS-Posteingang aufzuräumen und von allem zu befreien, an das ich nicht erinnert werden und von dem ich Abstand nehmen wollte, teilweise schon genommen habe.
Da kam eine Menge an SMS zum Vorschein, an dessen Existenz ich nicht mehr gedacht hatte. Enorm, mit welch hoher Frequenz mich zu Stoßzeiten SMS von vermeintlich Interessierten erreichten. Der Inhalt dieser Texte spielt keine Rolle mehr, ich habe mir nicht einmal die Mühe gemacht, diese noch einmal durchzulesen. Allein der Name der Absender im Display ließ mich wütend werden. Ich wurde wütend zum einen deshalb, weil ich daran erinnert wurde, wie diese Personen sich mir gegenüber verhalten haben und zum anderen wurde ich wütend auf mich, weil ich mich seinerzeit überhaupt auf diese Männer eingelassen habe.
Ich hatte an anderer Stelle schon einmal erwähnt, dass mir Köln bezüglich Liebschaften kein Glück gebracht hat. Trotzdem kriege ich manche Ereignisse nach wie vor nicht aus meinem Kopf.
Da war der Mann, der für mich Grund genug war, nach Köln zu ziehen. Ein psychisches Wrack. Nach außen hin der coole, selbstbewusste Sprücheklopfer, dem nichts und niemand etwas anhaben konnte. Was sich dahinter verbarg, war nichts anderes als ein emotional verkrüppeltes Würstchen. Eine Existenz, die mit ihrem Leben nicht fertig wird, die Schuld für die eigene Misere bei anderen sucht. Jemand, der den ganzen Tag redet und es dann nicht mal auf die Reihe bekommt, den Mund aufzumachen, wenn ihm was gegen den Strich geht. Der eine "Beziehung" (ich mag es gar nicht so nennen, weil es im Grunde gar keine war. Die Basis war Sex und selbst der hat irgendwann nicht mehr statt gefunden) mit der Begründung beendet (per email!!!), er habe schon an Selbstmord gedacht und wollte sich selbst in die Psychiatrie einweisen. Wie bescheuert konnte ich sein?
Dann kam der Depp, von dem ich mich von vorn bis hinten belügen ließ. Der mir das Blaue vom Himmel versprach und ich ihm in meiner Naivität an den Lippen hing. Er versprach mir all das zu geben, was ich vorher nicht bekommen hatte: Normalität, Gefühle, Geborgenheit, gute Gespräche. Dabei nutzte er mich nur aus. Wieder ging es nur um Sex. Mir aber ging es dieses Mal um mehr. Dass das nicht auf gegenseitigem Verständnis beruhte, musste er mir drei Mal zeigen, bevor ich es kapierte. Zuvor ließ ich ihn immer wieder in meine Wohnung und in mein Bett und glaubte seinen armseligen Entschuldigungen. Wie blauäugig konnte ich sein? Ich war nicht mehr 18, ich war bereits 25!
Die totale Apokalypse bezüglich männlicher Totalausfälle folgte dann auf dem Fuß. Mit der stahlharten Absicht, die Finger von Beziehungen zu lassen und endlich einmal eine Freundschaft aufzubauen, lernte ich den nächsten Versager kennen. Wir verstanden uns gut, auch wenn ich schon anfangs dachte, dass manche Dinge an ihm doch ziemlich merkwürdig sind (welcher Mann tanzt bitte GoGo und lässt sich von Männern küssen, um mal zu sehen, wie das so ist?). Aber die Verzweiflung und der Wunsch nach körperlicher Nähe trieben mich in seine Arme. Äußerlich sprach er mich überhaupt nicht an. Aber man kann sich vieles schön reden. Auch die Statur eines 16-Jährigen, der den Wachstumsschub noch vor sich hat, einen schielenden Blick, der die Augen kreuzen lässt, fettiges Haar, nach Rauch stinkender Atem, einen müffelden Schritt, einen viel zu kurz und klein geratenen Sch***z und die geistige Haltung eines anscheinend nicht ganz logisch denkenden Menschen. Eines Opportunisten, eines Schönfärbers, eines Menschen mit zu Unrecht übersteigertem Selbstbewusstsein. Auch wenn diese Episode nicht einmal drei Monate andauerte und ich die ganze Zeit über ein schlechtes Gefühl hatte (mir das aber freilich ständig ausredete), so ist sie doch nach wie vor präsent in meinen Gedanken. Immer wieder stelle ich mir die Frage: wie verzeifelt musst Du gewesen sein? Und ich kann mir keine Antwort darauf geben. Aber wenn ich diese Episode meines Lebens ungeschehen machen könnte, dann würde ich es tun. Sofort.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Schützenfest

Als Prolog zu diesem Beitrag sei Euch dieser Artikel ans Herz gelegt. Er ist zwar sehr lang, aber wer sich die Zeit zum Lesen nimmt und im besten Falle noch vom Land kommt, wird es nicht bereuen. Für die Städter: so ist das bei uns aufm Land.

Schützenfest. Ja, wie schon mehrmals erwähnt war das früher immer das Highlight des Jahres. Da wurde drauf hin gefiebert. Dafür wurde das Taschengeld gespart. Da war jeder für ein Wochenende wieder auf Du und Du, um am Dienstag beim EDEKA wieder Frau Kaiser oder Herr Heinze zu sein.

Mit den Jahren verlagerte sich das hauptsächliche Interesse vom Autoscooter weg zum Bierzelt hin. Da muss ich so 15 gewesen sein. Im biertrinkfähigen Alter, zu allen Schandtaten bereit, in der Blüte meiner Jahre. Der Vorteil, wenn man auf dem Dorf wohnt, ist ja, dass einen jeder kennt und dass die Hälfte aller Anwesenden irgendwie mit Dir verwandt ist. So kannst Du allein irgendwo hingehen, bist aber nie allein. Das Standardprogramm fürs alljährliche Schützenfest sah also vor:

- freitags Abends aufs Zelt und mit den Altschützen (55+) Schützenfestbier zu lausiger Volksmusik von der Platte schunkeln
- samstags Kinderschützenfest, Umzug (frei saufen!), umziehen, abends aufs Zelt und mit Schützen und gemeinem Volk alle möglichen Getränke zwitschern und zu Musik von entweder der Wolfgang Petry Coverband oder den Oberbayrischen Jodlerseppis schwofen
- sonntags morgens Eier essen bei dem Deppen, der zuerst 'hier' geschrieen hat, mittags zum Umzug, abends zum Sternmarsch, zur Verkündung des neuen Könifs und anschließend aufs Zelt und weitere Gehirnzellen vernichten
- montags Katerfrühstück im Zelt, Umzug zum neuen König (wieder Freibier!), den Nachmittag an der Bratwurstbude überbrücken und abends dann den Supergau im Zelt mitmachen und sich daran freuen, wie schön es doch wieder war

Das klingt jetzt alles sehr generisch, aber doch war es immer wieder anders (und in den letzten Jahren leider immer schlechter). Ein Jahr ist mir noch sehr lebhaft in Erinnerung. Ich hatte mich nach einem Intermezzo in der Sektbar irgendwie an der Lüttje Lage Theke festgebissen, die bei uns von der Biertheke getrennt ist (die wissen schon, warum) und die berüchtigten langen Meter machten die Runde. 50, 100, 150 Gläser galt es zu vernichten. Und kein Ende in Sicht. Anfangs schmeckt mir dieses Starkbier mit Korn ja gar nicht. Aber mit jedem Glas wird es besser. Bis ich den Hals nicht mehr vollkriege.
In diesem Jahr also hatte ich richtig das U-Boot voll und kam mehr schlecht als recht nach Hause. Der Weg war auch gleich drei Mal so lang wie sonst. Torkeln ist ja noch okay, Restalkohol auch, aber was tun, wenn der Körper den Alkohol nicht mehr beherben will? Ich kenne da nur eine Möglichkeit: raus damit! In diesem Fall schaffte ich es leider nicht mehr bis zur Toilette. Ganze drei Mal ließ ich mir die Lüttje Lage noch einmal durch den Kopf gehen bevor ich die rettende Kloschüssel erreichte. Auf die Schnelle fiel mir nichts Besseres ein als das Desaster einfach mit dem Staubsauger aufzusaugen. Ging ganz gut. Dass sich der Gestank aber ganz schön in dem Gerät festsetzt, merkte ich die darauffolgenden Wochen und Monate.
Was meine Mutter sehr erfreute, war die Tatsache, dass eine meine Attacken genau den Spalt zwischen Treppengeländer und Wand traf. So hatten schließlich auch die Paneele an den Wänden im Erdgeschoss was von der Lüttjen Lage.
Ich bin inzwischen auf die Kinderversion mit Korn und Fanta (in Fachkreisen gerne Moped genannt) umgestiegen. Da passiert mir sowas nicht mehr.

Freitag, 13. Juli 2007

Terminal 1

Ich wundere mich noch, dass ich für meinen Flug heute nicht online einchecken konnte und habe es darauf geschoben, dass das Lufthansa Buchungssystem wohl überlastet ist.
Der Check-In Automat am Flughafen erzählt mir dann aber etwas anderes: „Flight cancelled“. Nein! Alle Passagiere dieses Fluges werden umgebucht auf einen British Airways Flug nach Düsseldorf, der auch mal eben knapp zwei Stunden später startet. Außerdem fliegt in Heathrow Lufthansa von Terminal 2 und BA von Terminal 1. Also mache ich mich auf nach Terminal 1.

Automatisch werde ich hier an mein persönliches Lakehurst erinnert. Das schlimmste aller Flughafenerlebnisse überhaupt. Was war passiert? Es ist so ungefähr zwei Jahre her, dass ich einige Zeit in England verbrachte. Verschiedene familiäre Ereignisse führten mich zwischendurch jedoch auch zurück nach Deutschland. So auch an diesem Tag. Es war einem Freitag Morgen irgendwann Ende August. Ich war zuvor noch nie von Heathrow geflogen und war froh, dass die Anreise aus Oxford so reibungslos über die Bühne gegangen war. Ich sollte um 6 Uhr 40 fliegen und hatte also noch eine Menge Zeit. Ich genehmigte also ein leckeres Frühstück und schielte nebenbei auf die Uhr, wann es denn zwanzig nach sechs werden würde, damit ich mal zu meinem Gate gehen konnte. Was ich nämlich durcheinander gebracht hatte: die Zeit, zu der das Gate schließt mit der Zeit, zu der das Gate öffnet.
Ich war so sehr mit meiner neu entdeckten Leidenschaft Su Doku beschäftigt, dass ich den Monitor mit den Flügen gar nicht beachtete. Ein Blick gegen 6:18 ließ mich dann aufschrecken. Flug Nr. blabla nach Hannover: GATE CLOSING! Das blinkte mir da entgegen. Ach Du Scheiße! Ich nahm also nicht meine Beine in die Hand, denn die hatte ich nicht frei, weil ich Handtasche, Rucksack und Laptoptasche irgendwie tragen musste, sondern fing an zu rennen wie Florence Griffith-Joyner in ihren besten Tagen. Ich musste noch durch die Passkontrolle, die Sicherheitskontrolle (die damals noch nicht so scharf wie heute, aber trotzdem passiert werden musste) und schließlich zum Gate 56. Ich rief die ganze Zeit nur: „My gate is closing! My gate is closing!“ Damit hatte ich die Lizenz zum Vordrängeln und jeder ließ mich bereitwillig durch.
Wer den Film ‚Tatsächlich Liebe’ kennt und sich daran erinnert, wie der kleine Samuel durch den ganzen Flughafen eiert um seiner Joanna einen Kuss zu geben, kann sich vorstellen, welchen Weg ich gerannt bin: durch das Einkaufsparadies (in dem ich jetzt gerade übrigens auch sitze, im Caffé Nero genau wie damals als ich England endgültig verließ), die langen Gänge entlang, an sämtlichen Gates vorbei, an den Laufbändern vorbei (weil die nur von lahmärschigen Leuten blockiert wurden), Treppen hoch, Treppen runter bis zum allerletzten Gate, das es überhaupt gab. Vor mir standen noch zwei Leute ganz gemütlich am Schalter und ich hätte am liebsten meine Lunge in den Gulli geworfen und mit der Milz weitergeatmet (wer erkennt, aus welchem Film dieses Zitat stammt, bekommt einen Ehrenbeitrag von mir!). Aber meinen Flug habe ich schließlich noch bekommen.
Und die Geschichte, warum ich einmal 130 Pfund zahlen musste, um hier weg zu kommen, erzähle ich ein anderes Mal.

Mittwoch, 11. Juli 2007

Top 50 Take That: Together and beyond

Diese tolle Show gab es gestern im englischen Fernsehen. So wie es jeden Abend eine Mottoshow mit Top 50 Songs gibt (auch schön: Right Said Fred's Top 50 Camp Songs).

Da stolperte ich über solche Perlen wie 'Pray' und 'Relight my fire'. Der Song, den ich immer abgrundtief gehasst habe, wenn es um Take That Songs geht. Ich hätte meinen Arsch darauf verwettet, dass statt dieses Liedes 'Never Forget' auf 1 rangiert, nachdem 'Angels' auf 3 und 'Back for good' auf 2 landeten. Auch erstaunlich, dass unter den Top 10 wenigstens sechs Titel von Robbie Williams zu finden waren. Spricht nicht gerade für die Qualität von Take That.

Genug der Einleitung. Irgendwo fand sich auch 'Babe' unter den Top Take That Liedern und ich mich urplötzlich in eine andere Zeit zurück versetzt. Ich kann nicht wirklich erklären, warum dieses Lied so starke Erinnerungen in mir hervorrief. Wahrscheinlich weil das Erscheinungsjahr 1994 erwähnt wurde und ich automatisch an das Jahr 1994 dachte. Das sind bereits 13 Jahre her! Das war noch die erste Hälfte meines Lebens und mir kommt es vor, als sei es gestern gewesen.
Es war die Zeit, als ich morgens um zehn nach sieben aufstand und um fünf vor halb acht das Haus verließ, wenn um halb die Schule begann. Es war die Zeit, als ich mir noch jeden Donnerstag voller Vorfreude die BRAVO vom Zeitschriftenladen holte, um in erster Linie Berichte über Take That, Beverly Hills 90210 und den Fotoroman zu lesen. Dr. Sommer und Liebe, Sex und Zärtlichkeit fand ich nicht mehr wirklich spannend, jahrelanges BRAVO-Lesen hatte mich schon abgestumpft.
Damals gab es kein Handy, kein Internet, damals ging ich nach der Schule und den Hausaufgaben auf den Spielplatz oder zu einer Freundin oder ins Schwimmbad (Mundart: Badeanstalt). Das war der Sommer, 1993, als ich dachte, mir würden nie Brüste wachsen und ich begann, mich für Jungs zu interessieren. Schüchterne Telefonanrufe bei den Eltern, denn: Handys gab es ja noch nicht. Das war die Zeit, als das alljährliche Schützenfest das Großereignis überhaupt war.
Es war die Zeit als ich noch regelmäßig mittags warm aß und das pünktlich um zwanzig vor eins, gemeinsam mit meinen Eltern. Das war auch die Zeit als ich noch keinen eigenen Fernseher hatte und immer gemeinsam mit meinem Vater die Schlümpfe oder Brave Starr auf Tele 5 anschaute.
Das war die Zeit als mein Zimmer mit Leonardo DiCaprio Schnipseln (das war vor Titanic, da gab es noch keine Poster von ihm) vollgekleistert war. Das war auch die Zeit als ich begann, solche Glanzstücke wie Ace of Base's 'I saw the sign' in Playback oder 'Schrei nach Liebe' unplugged vor laufender Videokamera zu singen. Die Brille musste ich dafür abnehmen und den Silberblick in die Kamera in Kauf nehmen, weil ich doch so eitel war.
Das war die Zeit als es noch die OS (=Orientierungsstufe) gab und man alle seine Freunde jeden Tag noch in der Schule sehen konnte und so ganz automatisch die Zeit miteinander verbrachte, die man sich jetzt mühsam freischaufeln muss.
1993 war auch das Jahr als ich das erste Mal überhaupt so richtig in den Urlaub fuhr, natürlich mit meinen Eltern, denn das war zu der Zeit bevor ich meine Eltern uncool fand. Damals lernte ich Backgammon und Bridge spielen. Damals nahm ich noch Kassetten aus dem Radio auf, weil es weder illegale Downloads gab noch das Taschengeld reichte, um CDs zu kaufen. Manchmal kopierte ich auch Kassetten von meinem Mitschülerinnen, wie zum Beispiel die 'Everything changes' von Take That.
Das war die Zeit als es MTV noch über Astra zu empfangen gab, allerdings nur MTV Europe, was ich damals ganz toll fand, weil ich gerade angefangen hatte, Englisch zu lernen und nun mein Wissen auch anwenden wollte. Die Videos, die mir am lebhaftesten in Erinnerung geblieben sind, sind Soundgardens 'Black Hole Sun' mit der schmorenden Barbiepuppe über dem Grill und Take That's 'Everything Changes', das regelmäßig jeden Tag um kurz vor halb sechs bei Dial MTV mit Ray Cokes auf Platz 1 landete. Sonntags gab es immer MTV's European Top 20, die ich geliebt habe, weil dort Videos gespielt wurden, die ich sogar kannte, wie zum Beispiel Jam & Spoons 'Right in the Night' mit der nervigen Plavka.

Ja, ich bin manchmal ein sehr melancholischer Mensch. Ich schwelge gern in Erinnerungen, besonders, weil ich das Glück habe, sehr lebhafte und sehr zahlreiche Erinnerungen zu haben, ich erinnere mich an so viel und es ist toll, wenn man diese Erinnerungen teilen kann, was leider viel zu selten vorkommt. Ich habe zwei Freunde, die ein ähnlich gutes Gedächtnis haben wie ich. Mit denen schwelge ich am Liebsten.
Leider kann man die Zeit nicht zurück drehen. Leider kann man nicht mehr 11 sein und die Unbeschwertheit genießen. Leider kann man nicht mehr die Sorgen haben, die man mit 11 hatte ('Ob ich je meine Periode bekomme? Ob mich je ein Junge küsst? Ob ich je zu einem Take That Konzert gehen werde'). Schade.

Kleine Randnotiz: ich war nie so ein riesiger Take That Fan wie es hier aussehen mag. Ich mochte Leonardo DiCaprio und Brad Pitt viel lieber. Und auch New Kids on the Block (früher) und die Backstreet Boys (später). Und was Musik anging, so bin ich meist mit dem Strom geschwommen.

Freitag, 1. Juni 2007

Dänemark III

Die Aufzeichnungen meines Rendez-Vous mit der Kloschüssel sorgten auch in den nächsten Tagen für Erheiterung. Während ich mich hinter einer spanischen Wand meinem Delirium hingab und versuchte, dem Alkohol möglichst wenig Chancen zu geben, sich meines Körpers zu bemächtigen und fiese Spielchen mit ihm zu spielen, versammelte sich tagtäglich ein Mob von frisch gebackenen Abiturienten bei uns auf der Bude und lachte sich angesichts der traurigen Gestalt da auf dem Bildschirm echt kaputt. Nicht nur, dass mir der Krach das Schlafen erschwerte, nein, ich hörte auch immer wieder mein eigenes Geseier und Gebrabbel aus dem Fernseher. Das war die viel schlimmere Tortur.
Aber auch der schlimmste Kater verzieht sich irgendwann und so war ich bereit zu neuen Schandtaten. Dieses Mal hatte ich einen superguten Plan: statt mich mit der ollen Glasflasche abzuschleppen, füllte ich den Jägermeister kurzerhand in eine Cola-Flasche und zog damit los. Mmhh, der Jägermeister schmeckte schon wieder! Am Strand spielten ein paar Jungs Fußball. Als diese geendet hatten, kamen sie direkt auf uns zu. "Oh geil, Du hast Cola. Ich hab echt voll Brand." Sprach's und riss mir die Flasche aus der Hand. So schnell konnte ich nicht reagieren und sah mit an, wie er -gluck gluck gluck- drei kräftige Züge aus der Pulle nahm bevor er heftigst anfing zu husten und mich ansah als wollte ich ihn gerade vergiften. "Das", röchel, "ist ja gar keine Cola! Was ist da drin?! Jägermeister-Cola?!" "Nö, Jägermeister pur!" Grisu (so nannten wir ihn, weil er bei der Feuerwehr war. Aber anscheinend hatte er das Löschen noch nicht richtig gelernt) war den Abend nicht mehr zu sehen.
Es schien, als hätte ich meine Lektion vom Vorvortag gelernt. Nicht mehr so hektisch trinken, dann erlebt man auch keinen Totalausfall. So nippte ich immer fleißig an meiner Cola-Flasche und teilte mir die Rationen ein. Etwas verwundert war ich als ich am Strand auf eine Gruppe Leute stieß, die samt und sonders keine Haare mehr hatten. Ein Kollektiv neonazistisch Angehauchter? Nein. Aber Alkohol lässt einen komische Sachen machen. So hatten sich diese Herren einfach mal per Nassrasur gegenseitig vom Haupthaar befreit. Dass ich meinen späteren Freund hier kennen lernte, weiß ich noch. Dass aber auch er eine Glatze trug, ist mir irgendwie entfallen. Unser Glück, sonst wäre das nichts mit uns geworden.
Aber zurück zu meinem Zustand. So ganz konnte das mit Nippen mich aber auch nicht vom Besoffenwerden abhalten (warum auch? Das war ja gerade das Ziel, Du Schmock!). Irgendwann, es war schon dunkel, fand ich mich in einer Düne wieder. Ich wusste, dass weit und breit niemand war, ich aber auch nicht dort bleiben konnte. Bewegen konnte ich mich nicht. Sprechen konnte ich auch nicht. So fand ich mich schon mit meinem Schicksal ab, dort oben einen einsamen, aber zufriedenen Tod zu sterben. Aber das Schicksal hatte etwas anderes für mich vorgesehen. Er schickte mir einen Engel in Form eines guten, alten Bekannten. Es war der Typ, der mich viele Jahre zuvor kusstechnisch entjungfert hatte. Er nahm mich an der Hand und versprach mir, mich in mein Bett zu bringen. Das erwies sich aber schwieriger als gedacht. FanØ hat traumhaft feinen Sandstrand. Dieser ist jedoch nicht gerade hilfreich, wenn man nicht mehr Herr seiner Sinne ist und keine Macht mehr über seinen Körper hat. Da kann einen noch der beste Küsser an der Hand halten. So hatte Jan seine liebe Mühe mit mir. Zwei Schritte, plumps, einmal hingefallen, zwei Schritte, plumps, einmal hingefallen. So ging das den lieben, langen Weg in mein Appartement.
Ich weiß nicht, ob er nicht doch unedle Absichten hegte als er mich dort hinter der Düne auflas. Aber selbst wenn, so konnte er diese Absichten nicht in die Tat umsetzen, denn mit mir war so gar nichts mehr anzufangen.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 30. Mai 2007

Dänemark II

Gegen Mittag bezogen wir unsere Ferienhäuser. Moooment, nein. Es waren Ferienwohnungen. Appartements, die ähnlich denen in einem Motel, wie man es aus amerikanischen B-Movies kennt, die auf zwei Etagen in einem U-förmigen Gebäude untergebracht waren. An und für sich war das ein toller Plan. Aber anscheinend waren wir die erste Abituriententruppe, die diese Siedlung besuchte (es war jedes Jahr die erste und letzte Truppe, die eine Siedlung besuchte, weil anschließend nie wieder jemand dort hinfahren durfte) und der Geschäftsführer kann nicht wirklich über die Konsequenzen nachgedacht haben, sonst hätte er uns sämtliche Appartements überlassen und keine Familien mit Kindern zwischen die Kiffer von Gymnasium A und die Komasäufer von Gymnasium B untergebracht.
Keine Stunde waren wir da, da brannten die ersten Feuerchen am Strand, flogen die ersten Gartenstühle von Balkonen und waren sämtliche Gläser aus den kleinen Appartementküchen zerbrochen. Ich teilte mir die Wohnung mit meinen zwei besten Freundinnen und drei weiteren guten Freunden. Statt wie 90% aller Anwesenden 24/7 im Dauerrausch zu verbringen, pflegten wir die Trinkkultur und begannen den Spaß täglich um 14 Uhr mit Pernod-Cola. Ich war damals keine wirklich erfahrene Pernod-Trinkerin und dachte mir nichts dabei, die Flasche im Kühlschrank zu lagern. Als das Gesöff aber im Glas anfing zu flocken, dachte ich mir schon etwas dabei und verfasste in Gedanken schon einen Beschwerdebrief an den örtlichen Edeka-Markt, weil der mir abgelaufenen Scheiß verkauft hatte.
Allabendlich gab es dann ein lustiges Zusammentreffen am Strand. An besagten Lagerfeuern. Während die anderen sich ihre Dosen Bier (und Paderborner!) unter den Arm klemmten, nahm ich mir meinen Jägermeister.
"Ich sauf Euch alle untern Tisch!" Ja, bescheiden war ich schon damals nicht. Es dauerte keine Stunde und meine Pulle war leer. Ich war bedacht darauf, möglichst schnell zu trinken, weil ich einfach keinen Nerv mehr hatte, die olle Flasche mit mir rumzuschleppen. Alles war gut. Ich war gut drauf und mir war kaum schwindelig. Dann aber schlug mir jemand mit einem Bosch-Hammer gegen den Hinterkopf, so dass ich die Vögel zwitschern hören glaubte. Aber nein, es war nur der blöde Hirsch, der sich einen Spaß gemacht hatte und mir so richtig in den Arsch getreten hatte. Mit Müh und Not schleppte ich mich in unser Zimmer und auf die Toilette. In diesem Fall hilft bei mir nur eins: raus mit dem Scheiß! Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne meine Mitbewohner, die Hobbyfilmer, gemacht. Die hatten nämlich nichts Besseres zu tun als mich dabei auf Magnetband zu bannen, während ich mir die letzte Stunde noch einmal schön durch den Kopf gingen ließ. Wo Gelächter ist, da ist was los. Das dachten sich so einige und ich weiß nicht, wie viele Zuschauer ich am Ende hatte, während ich da mehr mit der Kloschüssel als mit irgend jemand anders sprach.

Fortsetzung folgt...

Dienstag, 29. Mai 2007

Dänemark I

Das schönste am Abitur war nicht die Gewissheit, dass alles vorbei war, sondern die gemeinsame Fahrt aller Abiturienten nach Dänemark. Das war und ist in der kleinen süßen Stadt in der Lüneburger Heide, in der ich zur Schule ging, Tradition. Die einzige Woche in 13 14, 15 Jahren Schulzeit, in der nicht darum konkurriert wird, welche Schule die beste, schwierigste, geilste ist.
So machen sich also alljährlich um die 500 Schulabgänger auf, eine Ferienhaussiedlung in Dänemark unsicher zu machen. Alle haben nur ein Ziel: saufen bis der Arzt kommt. Nur dass in Dänemark leider nie ein Arzt kommt.
Auch wir machten es nicht anders und landeten auf der kleinen Insel Fanø nördlich von Sylt. Dass man die Insel mit dem Auto in 20 Minuten umfahren hat, machte uns nichts, wir waren ja nicht zum Spaß hier. Dass seinerzeit Maul- und Klauenseuchenalarm herrschte und man weder Milch- noch Getreide- noch sonst irgend welche Produkte über innereuropäische Grenzen bringen durfte, machte schon was. So mussten wir uns zu Apothekenpreisen im einzigen Spar-Markt der Insel versorgen.
Was nicht verboten war, war der Sprit. Ich hatte vorgesorgt: drei Flaschen Jägermeister, drei Flaschen Pernod. Das sollte für eine Woche reichen, für mich. Nur eines hatte ich vergessen: Grundnahrungsmittel. Das Bier fehlte! So war ich bereit an der letzten Tanke vor der Grenze 24 halbe Liter Beck's für 72 Mark zu kaufen. Anstatt auf mein Herz zu hören, hörte ich aber auf die Verkäuferin: "Nehmen Sie doch das Paderborner Export. Das ist im Angebot für 29,90." Und was tat ich? Ja, ich kaufte das Paderborner. Augenscheinlich war es ein Schnäppchen. In Wirklichkeit war es ein Verlust von fast 30 Mark. Ich konnte diese Plörre nicht trinken. Statt dessen betätigte ich mich als barmherziger Samariter und verschenkte die Dosen an meine Kollegen. Die beste Möglichkeit, endlich auch mal Schüler anderer Schulen kennen zu lernen. Und dies sollte nicht die letzte Möglichkeit gewesen sein.

Fortsetzung folgt...

Sonntag, 20. Mai 2007

Best of 1 Jahr Madame Sauvage

So, das ging aber schnell. Ein Jahr schon hier am Rumbloggen. Zu dieser Gelegenheit habe ich mal mein Archiv durchstöbert und 13 Artikel rausgesucht, die meiner Meinung nach den jeweiligen Monat am Besten widerspiegeln. Es sind nicht die am häufigsten geklickten oder literarisch wertvollsten Beiträge, sondern diejenigen, in denen ich darüber schreibe, an das ich auch jetzt noch spontan denken würde, wenn ich an den jeweiligen Monat denke. Also viel Spaß und vielen Dank an alle treuen Leser von Rendez-vous chez Madame Sauvage!

Mai 2006: Lichtblick
Juni 2006: Che cazzo é?
Juli 2006: 11 Jahre
August 2006: Blind Date II
September 2006: Was ganz ganz Schlimmes
Oktober 2006: So war das am Samstag Abend
November 2006: The Killers @ E-Werk - ausführlicher Bericht
Dezember 2006: Vorfreude ist die schönste Freude
Januar 2007: Auch ich, auch ich
Februar 2007: Zeit zu gehen
März 2007: Zeit wiederzukommen
April 2007: "Du kennst die Intro nicht!?!?"
Mai 2007: Bloc Party

Mittwoch, 16. Mai 2007

Wunschkonzert

Der Chris (gibt keinen Link, wahrscheinlich hat er kein Blog, sondern ist lediglich lesender Konsument; völlig wertfrei übrigens diese Aussage) hat sich beim SirParker einen Beitrag in meinem Blog zu einem bestimmten Thema gewünscht.
Diesen Wunsch erfülle ich gern und nutze das Thema als Aufhänger für eine kleine Geschichte.
Damals, als ich noch klein war, so richtig klein, also vor dem Kindergarten noch, hatte ich einen Spielfreund. Der wohnte bei mir gegenüber in einem Bungalow mit wahnsinnig vielen Zimmern, drei großen Schwestern, deren Freunden (von denen einer zwanzig Jahre später mal eine Nacht mit mir verbringen sollte, aber das ist eine andere Geschichte), einem Terrarium im Wohnzimmer, einem Swimmingpool im Garten, einem Gemüsebeet, in dem Sauerampfer wuchs und einer Gartenlaube, die sich als Wohnhaus der Großeltern entpuppte.
Da das Elternhaus aber so riesig war bzw. mir so riesig erschien, wirkte das Haus von Oma und Opa geradezu winzig.
Mein Spielfreund, der den Namen eines bereits verstorbenen österreichischen Popsängers trug, führte mich seinerzeit in die Geheimnisse um He-Man ein. He-Man Puppen waren damals der Renner. Am liebsten mochte ich Sheera. Eigentlich nur, weil sie die einzige Frau war. Von meinen 50 Pfennig Taschengeld, die ich damals bekam (eigentlich bekam ich nie Taschengeld, weil ich ein verwöhntes Einzelkind war und immer dann Geld bekam, wenn ich darum bat) sparte ich mir mühselig 5 Mark ab, die ich bei Blau-Gelb (damals hieß das noch so) in meine eigene Sheera Puppe investieren wollte. Aber meine Mutter intervenierte und so war ich weiterhin auf die Puppen meines Spielfreundes angewiesen.
Wir spielten eigentlich immer draußen. Das tausende Hektar mehrere hundert Quadratmeter große Grundstück war für uns ein einziger Abenteuerspielplatz. Überall hatten wir unsere geheimen Ecken. Zumeist suhlten sich unsere Puppen (und wir auch) im Sand, im Matsch oder im Gras. So kam es, dass eine dieser Puppen beinahe eins wurde mit der Umwelt: MoosMan. Ich habe ihn noch vor Augen, eine 15 cm große, grüne, industriegefertigte, der Natur nachempfundene Substanz, die einen unverwechselbaren, undefinierbaren Geruch ausströmte, den ich später auch nur in düsteren Kellergewölben in der Ecke der schwarze Magie- und Nekrophilieanhänger wiederfand.
Abgesehen vom Geruch unterschied MoosMan sich aber hauptsächlich in der Oberfläche und der daraus resultierenden Haptik von seinen Kollegen. Kein kaltes, anonymes Plastik. Nein, ein sich anschmiegendes, Wärme abgebendes, beinahe lebendig wirkendes Gebilde war MoosMan. Beinahe der Held meiner Kindheit, aber das ist ja leider schon Colt Sievers.
Nichtsdestotrotz führe ich meine Vorliebe für das Berühren von Oberflächen auf meine frühe Begegnung mit MoosMan zurück. Er hat mich gelehrt, wie schön es sein kann, Dinge zu berühren: eine Wolldecke, ein Wildledersofa, einen Labradorwelpen, eine lang nicht gemähte Wiese, einen Babypopo, weiches Haar, das Brusthaar eines Mannes. Ach, ich bin schon wieder kuschelbedürftig.

Montag, 16. April 2007

Limp Bizkit

Was höre ich da heute morgen bei 1Live (ja, wenn ein Radiosender mir etwas Gutes tut, dann bin ich ganz loyaler Hörer, das war damals mit NDR2 und Robbie Williams genauso): Limp Bizkit. Eine Band aus der Kategorie "Sie hätten unsterblich werden können, haben es aber irgendwie versemmelt".
Jedenfalls gaben sie heute morgen "My way" zum Besten und ich fühlte mich gleich an die Vergabe meines Abizeugnisses erinnert. Als Novum führten wir damals nämlich ein, dass ähnlich der Oscar-Verleihung jeder Abiturient zu einem von ihm ausgesuchten Lied nach vorn trat, um das Stück Zeugnis in Empfang zu nehmen. MC Winkel würde es Jingle nennen und hat eben dieses die letzte Woche über sicher zur Genüge gehört.
Bei mir hieß es also "This time I will let it all come out, this time I will stand up and shout: It's my way, my way or the highway." Großartig! Meine größte Sorge galt damals der Tatsache, dass diese Zeilen nicht ihre volle Wirkung entfalten könnten und bei niemandem im Saal das auslösten, was sie sollten: aha, die junge Dame hat sich etwas gedacht bei der Auswahl und nicht irgend ein blödes Scheißlied genommen, was gerade die Charts rauf und runter dudelt, Gigi D'Agostino oder so.
Genau das ist wahrscheinlich auch eingetreten: außer mir hat sich sicher niemand an den Zeilen erfreut. Banausen! Die meisten Menschen sind eben nicht auf Subtilität eingestellt. Schade.

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