Begegnungen

Montag, 15. Januar 2007

Taxifahrer

Dass das Gros aller Taxifahrer nicht-deutscher Abstammung ist, ist gemeinhin bekannt. Dass man mit Taxifahrern nicht-deutscher Abstammung lebhafte Gespräche auf hohem, politischem Niveau führen kann, wusste ich bisher nicht.
So klärte mich Herr Sahettin heute morgen über diverse Missstände in der deutschen Politik in den letzten 30 Jahren auf. Dass er politisch interessiert ist und eine durchaus eigene Meinung zu Politikern, Parteien, Affären etc. hat statt einschlägige Wochenzeitungen zu rezitieren, stand außer Zweifel und hinterließ bei mir großen Eindruck.
Noch völlig durcheinander gebracht ob der Tatsache, dass Herr S. all das aufbringt, was mindestens 90% der Bevölkerung abgeht, eine reflexive Geisteshaltung, hätte ich meinen Kollegen am Bahnsteig fast nicht bemerkt. Auch er auf dem Weg nach München, allerdings auf einem anderen Projekt. Man kann ihnen eben nicht entgehen, den lieben Kollegen. Und dabei kenne ich noch nicht einmal ein Prozent meiner in Deutschland ansässigen Kollegen. Naja, ein Prozent vielleicht schon. Vielleicht auch zwei.

Freitag, 5. Januar 2007

pre dormire

Du liegst mit dem Rücken zu mir. Ich spüre Deine Haare am Steiß auf meinem Steiß. Ich liebe die Haare an Deinem Steiß. Sie sind so weich. Du atmest unruhig, Du drehst Dich zu mir um. Legst Deinen Arm um mich. Beschützend. Ich fühle Geborgenheit und Sicherheit. Dein Bein verschlingt sich zwischen den meinen. Unter meiner kalten Fußsohle spüre ich Deinen Spann. Deine Brusthaare kitzeln mich zwischen den Schulterblättern. Ich liebe es. Deine leichten Bewegungen zeigen mir, dass Du da bist. Wie Du Deine Zehen gegen meine drückst. Wie sich Dein Becken leicht gegen meines wölbt. Wie Deine Hand fast unmerklich meine Brust drückt. Beim Atmen umfängt Dein Bauch, der so klein ist, dass man ihn fast nicht bemerkt, meinen Ellbogen. So wie ein Luftballon, in den man seinen Zeigefinger drückt.
Deine Atemzüge werden gleichmäßiger. Tief und entspannt. Ich merke, wie Du entschlummerst. Zum Singsang Deiner Schlafgeräusche werde auch ich langsam ruhiger. Ich hauche die drei Worte in die Dunkelheit. Mehr zu mir selbst als zu Dir. Denn Du schläfst den Schlaf der Gerechten. Ich bin glücklich.

Mittwoch, 15. November 2006

Bier in Plastikflaschen

Er setzte sich mir gegenüber, las die Frankfurter Rundschau, dunkelblaue Kombination, Pullunder, Krawatte, insgesamt sehr gepflegter Eindruck. Seine Nase leuchtete auffallend rot und riss mich zu der nicht sehr netten Vermutung, er würde hin und wieder gern einen über den Durst trinken.
Ich lag nicht wirklich falsch, keine fünf Minuten später zog er aus der Innentasche seines Jacketts eine Flasche. Zunächst dachte ich, es handele sich um Apfelsaftschorle. Ich versuche immer, an das Gute und Unschuldige im Menschen zu glauben. Der Geruch aber und das Etikett belehrten mich eines besseren.
Ich war erschüttert angesichts der Tatsache, dass es nicht einmal acht Uhr am Morgen war. Wahrscheinlich erträgt er seinen Job in einem stickigen Büro in einem der unzähligen Hochhäuser Frankfurts nur zugedröhnt. Was mich an dieser Begegnung erschreckte, war die Erkenntnis, dass es nicht immer der Prototyp Obdachloser oder gescheiterte Existenz in einer sozialen Randgruppe ohne Job, Hartz IV, kaputte Familie, keine Freunde ist, der der Droge Alkohol verfällt.
Ich selbst spreche dem Alkohol nicht ab, ganz im Gegenteil. Ich weiß selbst, dass ich viel zu häufig viel zu viel trinke. Oft gebe ich damit auch noch an: 'mich trinkt so schnell niemand unter den Tisch'. Aber viel häufiger sehe ich in letzter Zeit, wozu es führen kann, wenn man sich nicht mehr unter Kontrolle hat und diese Droge das tägliche Leben diktiert. Es bedarf schon ungeheurer Selbstdisziplin, um nicht in den Strudel der Sucht zu geraten und sich dadurch das eigene Leben zu zerstören.
Verstört stieg ich anschließend aus dem Zug und genehmigte mir den ersten Peppermint Mocha der Saison.

Mittwoch, 8. November 2006

Burger

Dickes Mädchen. Dünner Junge, nicht unansehnlich.
Der dünne Junge schiebt sich einen Burger rein. Der Blick des dicken Mädchens haftet nicht auf dem Jungen, nein, auf dem Burger. Jede Bewegung, mit der der dünne Junge den Burger zum Mund führt, wird von den Augen des dicken Mädchens verfolgt. Dem dünnen Jungen schenkt sie keine Aufmerksamkeit.

So weit ist es schon gekommen.

Donnerstag, 2. November 2006

Joseph Ackermann

Meine Tüte hatte mich verraten.
"Arbeiten Sie bei SAP?"
"Nein, ich arbeite bei einer Firma, die mit SAP kooperiert. Da muss ich mich mit dem Produkt auskennen."
Ich steige aus und verlasse den Bahnhof.
"Ja, ich habe das so ein bisschen mitverfolgt. Den Aufstieg von SAP und so. Wie der Börsenkurs in die Höhe schnellte. Das lag sicher auch an der Zusammenarbeit mit uns." *zwinker*
"Wo arbeiten Sie denn?"
"Du kannst mich ruhig duzen."
"Moment, Du hast damit angefangen. Also wo arbeitest Du denn?"
"Bei der Deutschen Bank."
Komisch, denke ich. Der erste Mitarbeiter der Deutschen Bank, einer Bank überhaupt, den ich sehe, der nicht im Anzug, sondern, Achtung, in Jeans, Turnschuhen und einer quietschblauen Motorradjacke vom Polenmarkt mit falschen Aufnähern (auf der Brust prangt in riesigen Lettern in der Aufmachung des 'Castrol' Labels das Wort 'Classic') zur Arbeit geht. Kein Kundenkontakt, denke ich. Vielleicht IT.
Er sieht schon ein bisschen prototypenhaft aus mit seinen kurz geschorenen Haaren, den blondierten Spitzen und dem leicht debilen Gesichtsausdruck.
Meine Neugier kann ich nicht länger zügeln.
"Was machst Du denn bei der Deutschen Bank?"
"Personenschutz."
Aaaalles klar. Jetzt weiß ich, wo der Frosch die Locken hat. Er fängt an, mir davon zu erzählen, wie er früher sieben Stunden am Tag trainiert hat. Selbstverteidigung, Krafttraining. Das ganze Programm.
"Du hattest wohl keine Freunde, was?!" Die Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen.
Die hätten alle mittrainiert, meint er.
Dann geht er zum Thema Frauen über.
"Dich würde ich heute nicht von der Bettkante stoßen. Hast Du nicht Lust, heute mit mir nach Hause zu kommen?"
Er imitiert eine Frauenstimme. Diese hohe Stimmlage in Kombination mit dem ohnehin schon furchtbar klingenden Südhessisch legt die Vermutung nahe, diese Angebote hätte er abgelehnt, weil er mit Frauen einfach nichts anzufangen weiß.
"Da denk ich mir manchmal echt: wollen die alle nur Deinen Körper? Gibt es keine Frau, die meinen Charakter interessiert?"
Unter uns: so doll war der Körper nicht.
So geht es munter weiter. Unterdessen wandert mein Blick immer wieder zur Anzeigetafel. Aber die Minuten bis zur Ankunftszeit von meinem Bus werden nicht weniger, sondern immer mehr! Verfluchter 1. November aber auch.
"Musst Du auch noch mit dem Bus fahren oder wie kommst Du jetzt nach Hause?"
"Meine Mutter holt mich gleich ab."
Meine Fresse, es wird nicht besser!
"Oh, da kommt mein Bus. Also ich muss dann mal. Bis dann."
"Warte. Kann ich Deine Handynummer haben? Ich könnte Dir mal Darmstadt zeigen."
"Wir sehen uns bestimmt mal wieder. Ciao."
Hoffentlich nicht!

Montag, 30. Oktober 2006

Anlage zum Kommentar.

...denn da ging das Bild irgendwie nicht rein. Hier der Beweis!

dancingmc

Sonntag, 29. Oktober 2006

So war das am Samstag Abend

19 Uhr da sein. Dann werde die Tür geöffnet und man könne das Piercingstudio betreten bevor der Mob es tut. In Windeseile vom Willy-Brandt-Platz zur Neuen Kräme geeilt, nicht ohne vorher drei Mal nach dem Weg zu fragen.
Pünktlich am Treffpunkt. Klappt wie am Schnürchen. Mit mir am Start SirParker. Das hatten wir ausgemacht, das passt. Er nicht weniger gespannt als ich. Also rein in die gute Stube. Der Bandini war schon da, Frau Fragmente auch und der MC auch, mit einem Glas Wasser in der Hand. Krank? Kurze Zeit später gesellt sich Michael zu uns. Entspannte Atmosphäre, Ledersofas, gedimmtes Licht. Die Räumlichkeiten füllen sich. Aber meine persönliche Attraktion des Abends fehlt noch. Wo ist 500Beine? Noch mit Frau Moll um den Block. Ich bin nicht die einzige, die schon gespannt ist. Gerüchte entstehen. Wird er auftauchen? Wird er gar eine Plastiktüte über den Kopf ziehen? Dürfen nur seine 500 Beine fotografiert werden? Unterdessen erkundige ich mich bei Bandini nach zwei weiteren Herren, die ihr Erscheinen angekündigt hatten. Julian_Kay ist der Herr, der direkt an unserem Gespräch teil hat. Oh, da hätte ich auch direkt fragen können. Neben ihm sitzt die liebe Frau K., extra aus Kassel angereist. Nur der Herr Cosmas ist noch nicht aufgetaucht. Der lässt noch auf sich warten. Auch der Mann mit dem formidablen Musikgeschmack hat sich inzwischen dazu gesellt, in Begleitung der bezaubernden Silka aus meiner Heimat.
Die Lesung beginnt. Schon in der ersten Runde kann ich mich vor Lachen kaum halten. Frau Fragmente berichtet von ihrem Nachhilfeschüler, Bandini von seinen Erfahrungen im Supermarkt, der MC rekapituliert noch einmal seine erste Darmspiegelung und 500Beine erzählt von lärmenden Nachbarn. Inzwischen hat sich der Raum sehr gut gefüllt und ich mache einen sehr attraktiven Mann rechts von mir aus. Nicht schlecht, denke ich. Absolut nicht schlecht.
Dann Pause. Ich geselle mich zu Bandini. Ebenso der hunk. 'Diese Dame hat sich bereits erkundigt.' Bei diesem Satz wird mir schlagartig klar, wer da vor mir steht. Hallo.
Zweite Runde. 500Beine liest meine Lieblingsgeschichte. Der Abend hat sich bereits mehr als gelohnt.
Nach einer weiteren Runde und einer Zugabe werden die vier Lesenden erlöst. Nun kommt der gemütliche Teil. Das Gros der Zuhörer verlässt die Lokalität. Der harte Kern hat sich mental schon längst auf Karaoke eingestellt und erwartet nun Befriedigung. Vorher kurzer Zwischenstopp beim Dönermann, respektive Chinaheiner. Der Irish Pub erfüllt die hohen Ansprüche nur unzureichend. Grölendes, verkleidetes Volk, unerträgliche Musik bei viel zu hoher Lautstärke. Der Plan heißt, gen Living zu ziehen. Vor dem Living dann Kriegsrat. Es fällt der Entschluss dagegen, gehen wir doch lieber ins Unity. Ein weiterer Fußmarsch, nicht ohne vorher Halt am Winkelmobil und das letzte Holsten platt zu machen. Im Unity dann endlich tanzbare Musik. Inzwischen ist es das zweite Mal viertel vor drei. MC trinkt Bier mit dem Strohhalm. Das ist beim Tanzen einfacher, erklärt er mir. Da kann er sich besser auf die Moves konzentrieren.
Irgendwann der Rausschmeißer, Licht an, kurze Schrecksekunde ob der Gesichter um einen herum, die man vorher aufgrund ausbleibender Beleuchtung schlecht bis gar nicht erkannt hat. Die Gruppe löst sich auf. An jeder Ampel verlassen uns die Leute in Richtung Zuhause. Mich führt der Weg zum Bahnhof. Um festzustellen, dass sonntags die ersten Züge eine Stunde später fahren. Trotzdem komme ich irgendwie heim. S-Bahn, Taxi, geht alles. 7:20 zeigt der Radiowecker als ich in die Kissen falle, schwer wie ein Stein ins Wasser.

Mittwoch, 25. Oktober 2006

Im Auge des Betrachters

Tatort Kaffeebar.
"Wenn wir hier alleine sind, dann nur auf einer Seite anstellen."

Dienstag, 24. Oktober 2006

Halbstark

In eine illustre Runde bin ich da geraten heute im Bus. Die Jungs, es waren wirklich welche, an dieser Stelle trifft es das, auch wenn ich den Begriff 'Jungs' sonst gern als Synonym für 'Männer' gebrauche, haben jeder für sich ein paar Worte verdient.
Erster tat mir fast ein wenig leid. Es ist schon traurig, wenn die Schambehaarung Gesichtsbehaarung noch gar nicht eingesetzt hat, das Haupthaar aber schon weicht. Ganz tough hat er das durch zahlreiche Nieten und Aufnäher auf der Speckilederjacke zu kompensieren versucht.
Zweiter trug einen, lasst mich Lügen, 20 cm hohen Iro zur Schau. Sehr stolz, wohl bemerkt. Auch bei ihm von Bartwuchs keine Spur, nicht mal ein die Pubertät ankündigendes Pickelchen. Kulmbacher aus Dosen aber ging. Auch wenn ich bezweifle, dass er davon mehr als zwei Schluck getrunken hat ohne lattenstramm zu sein.
Beim dritten habe ich mich gefragt, ob die Gesichtsverletzungen von den bei Nr. 2 ausbleibenden, bei ihm dafür umso stärker auftretenden Hautunreinheiten stammten oder davon, dass er Senge bekommen hat. Rein äußerlich passte er so gar nicht zu seinen Kollegen, zeugten seine Schuhe zumindest noch vom letzten verfolgten Trend. Ich sage nur: Fat Laces.
Bei dem Geruch musste ich unvermittelt an Rocko Schamoni denken, der davon sprach, als Jugendlicher stets nach Bier gestunken gemüffelt zu haben, auch wenn er gar nichts getrunken hatte. Ich schreibe diese Erscheinung dem Kollektiv als Ganzem zu. Kein einzelner Mensch ist in der Lage, so zu riechen wie diese drei zusammen. Ich würde mich wundern, hätte einer von ihnen in den letzten vierzehn Tagen einen Wasserstrahl auch nur aus der Nähe gesehen.
Was soll ich sagen? Punk's not dead. But doing no harm.

Freitag, 13. Oktober 2006

un rieht au guut

Oxford, England, irgendwann im letzten Jahr.
Unzählige Schmetterlinge hat er mir beschert. Wunderbare Tage. Wie viele Tränen habe ich vergossen seinetwegen. Dieser Geruch, ich habe ihn noch immer in der Nase.

Frankfurt, Hanauer Landstraße, gestern Abend.
Der gleiche Geruch. Völlig andere Umgebung. Rechts neben mir strömt ihn jemand aus. Ruft Erinnerungen in mir wach. Sympathie ist sofort da. Ob es am Duft liegt?

Darmstadt, der besagte Bus, wenige Stunden später.
Da ist er schon wieder! So lange habe ich ihn nicht wahrgenommen. Jetzt überrennt er mich buchstäblich. Nicht unangenehm.

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