Meine erste Weiberfastnacht

...ist gleichzeitig meine einzige. Ich weilte seinerzeit in einer kleinen Stadt im Sauerland, die dem Karneval sehr stark zuspricht. Jemandem, der aus einem vom Karneval geprägten Landstrich kommt, ist es immer unvorstellbar, dass es auch andere Regionen Deutschlands gibt, in denen diese Tradition nichts, aber auch gar nichts zu bedeuten hat. Da sind Tage wie der 11.11., Rosenmontag und Aschermittwoch stinknormale Arbeitstage und niemand schert sich um Bräuche und Feiern. Viel mehr sind die Leute dort genervt von den elenden Karnevalssendungen im TV und nicht enden wollendem 'Alaaf' und 'Helau' Gebrüll.
Schon Wochen zuvor steigerte sich die Spannung und Erwartung unter den Mitarbeiterinnen von Tag zu Tag. Pläne wurden geschmiedet, was Feier und Kostümierung betraf. Ich hielt mich vornehm da raus, nahm ich doch an, an besagtem Tag ganz normal zu arbeiten. Aber meine Kolleginnen belehrten mich eines besseren: Pünktlich einen Tag vor Weiberfastnacht kam die unausweichliche Frage: hast Du denn schon ein Kostüm? Natürlich nicht. Och, das kriegen wir schon hin. Ich bring Dir morgen eins mit.
Meine Befürchtungen ließen mich in der Nacht kaum ein Auge zu tun. Was würden die mit mir anstellen? Aber der Mensch ist bekanntlich ein Rudeltier, das nahm der Situation die Schärfe.
Dann kam der große Tag, für mich hatte es den Anschein als wäre Weiberfastnacht der wichtigste Tag des Jahres, noch vor Silvester, Weihnachten, Geburtstag und dem ersten Tag des Sommerurlaubs. Punkt halb zehn ließen die Damen ihre Kugelschreiber fallen, fuhren die Rechner runter und holten diverse Fläschchen mit leckeren (?) Likörchen aus den Schubladen. Die diesjährige Kostümierung: Clowns! Oh my goodness! Man steckte mich in eine bunte Latzhose und bemalte mich derart, dass auch noch das mutigste Kind vor mir weggerannt wäre, wenn es mich so gesehen hätte.
Gut vorbereitet machten wir uns auf den Weg durch das jetzt schon verwaiste Bürogebäude (das Verhältnis Frauen zu Männer betrug in etwa 10:1). Die armen Kerle, die im Gegensatz zu uns Frauen weiterarbeiten mussten, mussten nun nicht nur ihre Krawatten opfern, sondern waren gezwungen, eine 'Spende' von ihrem Geldbeutel in unser Sparschwein wandern zu lassen. Die Damen weigerten sich also nicht nur zu arbeiten, sondern ließen sich ihr Gelage auch noch finanzieren. Smart!
Unser Arbeitgeber (der zu allem Überfluss auch noch alkoholische Genussmittel produziert) hatte bereits einen Partyraum ausstaffiert mit kaltem Büffet und soviel Alkohol, mit dem man ganz Oer-Erkenschwick hätte lahm legen können.
Mit steigendem Blutalkoholspiegel stieg auch meine Laune und es machte mir gar nichts mehr aus wie der letzte Trottel auszusehen. Schließlich sahen alle aus wie die letzten Trottel! Es wurde getanzt, gelacht, gegessen und vor allen Dingen getrunken.
Nach etwa acht Stunden Druckbetankung war dann auch bei mir Sense. Gut, das war so gegen 18 Uhr. Da fangen andere erst an.
Was ich nicht bedacht hatte: abends war ich mit vier (ja, vier!) überdurchschnittlich attraktiven Männern fürs Kino verabredet. Das wollte ich auf jeden Fall wahrnehmen, ungeachtet meines (desolaten) körperlichen Zustands.
Gegeben wurde ein Film mit Diane Keaton und Jack Nicholson, der dadurch Schlagzeilen gemacht hatte, dass die 100-jährige schon etwas ältere Diane Keaton nackt zu sehen war. Das sah ich zwar nicht, dafür erfreute ich mich daran, dass jeder Darsteller seinen Zwilling zu den Dreharbeiten mitgebracht hatte. Interessant, aber bei Kopfschmerzen nicht gerade zuträglich. Weiterhin nachteilig wirkte sich mein Alkoholpegel auf mein Balzverhalten aus. Ich hatte mir natürlich schon vorher einen der vier ausgesucht, dem meine Aufmerksamkeit zuteil werden sollte. Leider vergeblich. Jede körperliche Annäherung meinerseits wurde durch böse Blicke, abwehrende Gesten und irgendwann auch eindeutige Aufforderungen (Lass das jetzt mal!) unterbunden. Tja, Alkohol macht zwar mutig, aber nicht immer erfolgreich.
mcwinkel - 23. Nov, 00:18

Hö?
Mir noch nie passiert. :)

madamesauvage - 23. Nov, 08:51

Nicht??? Ist ja erschreckend. Unmenschlich! :-)

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