Matten- Mattenherrn

Ach, wie habe ich das als Kind geliebt. Kurz nach meinem Geburtstag stand Martinstag vor der Tür. Ich komme ja aus einer, was den Martinstag betrifft, sehr kinderfreundlichen Gegend.
Ich war seit je ein riesiger Fan vom Martinstag, zumal mir an diesem Tag niemand das Singen verbieten konnte. Ganz im Gegenteil: für das Schmettern des immer wieder gleiches Liedes wurde ich sogar noch belohnt! Jedes Jahr aufs Neue zogen meine Freundinnen und ich von Haus zu Haus und trällerten, was das Zeug hielt:

Als Martin noch ein Knabe war
Hat er gesungen so manches Jahr
Drum liebe Leute, gebt uns was
Denn heute ist ja Martinstag


Zugegeben, die Reime sind nicht ganz rein und auch der Text ist nicht der Brüller, aber er hat uns alljährlich säckeweise Snickers, Mars, Bounty, Milky Way, duplo, hanuta und den ganzen Kram (außer Aldi war das damals mit den Discountern noch nicht so gang und gäbe, Beschisssüßigkeiten kannte da noch kein Mensch) beschert.
Zu meiner heißen Krimiphase dichtete ich die erste Zeile gern zu Als Matula ein Knabe war um und stellte mir den jungen Claus Theo Gärtner mit Lederjacke vor.
Auf dem Dorf kennt man seine Pappenheimer, wir wussten immer genau, wo nie jemand aufmachte, wo die Ökos wohnten, die statt Süßem Geld an Brot für die Welt spendeten (als ob da irgend jemand etwas von gehabt hätte), wo alte Omis vergammelte Kekse einzeln (!!!) in den Beutel wandern ließen, wo die Sparsamen die selbst geernteten Äpfel verteilten, die sowieso keiner haben wollte, wo es ganze Tafeln Milka gab, weil die Häuser so unheimlich weit abgelegen waren und kein Kind sich dort hin traute. Der Held aller Martinssänger aber war 10-Pfennig-Joe. Wie der Name schon sagt, gab es bei ihm Bares statt Süßes. (Damals waren 10 Pfennig viel Geld! Dafür konnte man 2 Blatt Esspapier kaufen.) Er war schon so alt und klapprig, dass er es gar nicht merkte, wenn man häufiger als einmal vor seiner Tür sang. Immer wieder öffnete er mit zittriger Hand und ließ einen von den Groschen von dem braunen Tonteller in unsere EDEKA-Tüten fallen. Wir fragten uns damals oft, ob er davon nicht arm würde und wie lange er wohl für den Martinstag Münzen sammeln würde. Bestimmt das ganze Jahr über.
Nach der Konfirmation nahm der Spaß leider ein Ende. „Dafür seid Ihr schon zu groß. Singen gehen könnt Ihr jetzt nicht mehr.“
Toll, ganz toll. Aber wir waren ja nicht blöd! Statt uns selbst abzurackern, die Füße platt zu laufen, den Arsch abzufrieren und peinliche Lieder singen zu müssen, machten wir den Martinstag zu einer Art Selbstbedienungstag. Tüten treten! Zum Glück war auf die Idee keiner gekommen als wir kleiner waren. Die Gören fanden das natürlich nicht so lustig. Fingen an zu kreischen und rannten weinend nach Hause. Egal, das Süße war unser!
Und heute? Gehe ich noch manches Mal von Tür zu Tür. Nicht mit einer Tüte, aber mit einem Schnapsglas. Prost!
Fountain - 10. Nov, 13:58

Verdammt nochmal, und ich bin als Zeuge Jehovas aufgewachsen. In der Bibel wurde ja sicherlich mal jemandem am Martinstag der Kopf abgeschlagen, weshalb selbstverständlich auch heute noch akute Gefahr besteht am Martinstag geköpft zu werden. Oder wars Ostern? Wie dem auch sei, sehr logisch seinen Kindern das Singen und Schnorren zu verbieten.

madamesauvage - 10. Nov, 14:39

Is richtig, weil da mal jemand geköpft wurde (???), besteht auch heute noch die Gefahr. Deshalb laufen an Karfreitag auch alle Gefahr gekreuzigt zu werden, weil an jenem Tag mal jemand gekreuzigt wurde (...)

Kinnings, geht nur weiter singen! Ist ne schöne Tradition und holt Euch von den Playstations weg.
Fountain - 14. Nov, 20:16

Das mit dem Köpfen war der Geburtstag von sonstwem. Irgendein König... Der Grund warum die Zeugen Jehovas keinen Geburtstag feiern. Also gehen sie ja anscheinend wirklich davon aus, dass man, sollte man seinen Geburtstag illegalerweise feiern, man am Ende kopflos da steht.

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