Dienstag, 26. September 2006

Fuffies im Club

Ich war auf einer Familienfeier in Hannover. Ich habe eine sehr große Familie. 80 Leute waren wir sicher. Gerade aus meinem ersten „richtigen“ Urlaub (mit Flug, Hotel, Animation etc., aber das ist eine andere Geschichte) zurückgekommen, war ich noch ganz euphorisch. Ich habe eine Familie mit recht hohem Altersdurchschnitt. Also waren die einzigen Personen unter 20 außer mir mein Cousin, der so alt jung war wie ich, mein Cousin, der immerhin schon volljährig war und dessen Freundin.
Ich habe eine Familie, die dem Alkohol nicht abgeneigt ist. Also tranken wir vor, während und nach dem Essen ausgiebig alles das, was flüssig war und was das Mädchen hinter der Bar uns gestattete. Ich habe eine sehr großzügige Familie. Jeder der Tanten, Onkel, Omas, Opas kam im Laufe des Abends früher oder später auf uns zu und steckte jedem von uns Geld zu. „Hier, nimm hin, mein Junge. Kauf Dir was Schönes.“ Kennt man ja.
So akkumulierten wir, während der Alleinunterhalter Klassiker Unterhaltungsmusik von Wolfgang Petry bis Udo Jürgens zum Besten brachte, eine ansehnliche Summe Bargelds. Wir waren jung und brauchten hatten das Geld! Was also taten wir? Auf in die Stadt! Ganz auf dicke Hose orderten wir ein Taxi. „Zum Raschplatz, bitte!“
Dem Taxifahrer nen Fuffi in die Hand gedrückt, noch nen Fuffi für die versauten Ledersitze dazu, raus aus dem Taxi, rein in die Baggi. Zum ersten Mal lernte ich den Vorteil zu schätzen, den das Aussehen mit sich bringen kann. Nicht, weil ich so glänzend aussah mit meiner Festtagsrobe. Nein, damals war ich meinem Alter zehn Jahre voraus, was das Erscheinungsbild betrifft. Also keine Probleme mit der Ausweiskontrolle. 32 Mark für vier Personen. Damals war das eine Menge Kohle. Was man damit alles hätte machen können! Aber wir hatten’s ja. Ab an die Bar! Sol Bier! 24 Mark. Was soll der Geiz. Hier, Wechselgeld kannste Dir schenken.
So ging es munter weiter. Wir konnten machen, was wir wollten. Das Geld wollte und wollte nicht weniger werden. Draußen wurde es hell, drinnen auch. Die Lichter gingen an und wir waren noch weit von der Ebbe im Portemonnaie entfernt. Also wieder ein Taxi gerufen und kreuz und quer durch die Stadt fahren lassen. Natürlich nicht, ohne vorher an der Tanke anzuhalten und dick und fett Bacardi-Cola in Dosen einzusacken (ich ließ damals schon seit Jahren die Finger von Bacardi-Cola, aber das ist eine andere Geschichte).
Gegen halb acht landeten wir bei der sehr netten Freundin meines Cousins in der Wohnung. Sie wohnte im achten Stock eines hässlichen Wohnblocks. Der achte Stock hatte den Vorteil, dass wir die Passanten, die wenigen, die an diesem Sonntag Morgen schon unterwegs waren, unten auf der Straße anpöbeln konnten, ohne dass die überhaupt merkten, wo die ‚Ey, Turbo Tekkin!’ – Rufe überhaupt herkamen. Weitere nette Gestalten, die ich an diesem Morgen kennen lernte, waren Orkan Orhan und Muskel Murat.
Das war das erste Mal, dass ich einen Club von innen sah. Ein einschneidendes, wunderbares Erlebnis. Das war auch das erste Mal, dass ich mir den Abend noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Ein einschneidendes, beschissenes Erlebnis.

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