Outing

Bis vor ein paar Jahren dachte ich, ich würde niemanden kennen, der sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt. Das fand ich erstaunlich, zumal die Wahrscheinlichkeit, dass jemand homosexuell ist, besteht und nicht so gering ist. Klar variiert das und in einer provinziellen Kleinstadt wird die Wahrscheinlichkeit geringer ausfallen, trotzdem war ich lange Zeit der Meinung, niemand in meiner näheren Umgebung sei schwul oder lesbisch.
Ich wurde eines besseren belehrt.
Nicht immer haben die Männer, es waren immer Männer, bis heute weiß ich von keiner Bekannten, dass sie lesbisch ist, es mir direkt gesagt.

Mein erster schwuler Freund: ein Klassenkamerad berichtete mir, dass der Konrad jetzt einen Freund hätte. Ich war überrascht. Es war doch noch gar nicht so lange her, dass Konrad mir die Zunge in den Hals gesteckt hatte. Hm, damit war jetzt wohl Schluss.

Mein zweiter schwuler Freund: wir wollten abends zusammen um die Häuser ziehen. Weil er außerhalb wohnte, bot ich ihm an, bei mir zu übernachten. Ich sagte zu ihm: "Das Bett ist groß genug. Nur für den Fall, dass Dir einer, äh, eine gefällt und Du ihn mit nach Hause nehmen willst." Er schaute mich erst verdutzt, dann verärgert an und fragte mich, wer geplaudert hätte. Ich war ganz überrascht. Mit meinem Freud'schen Versprecher hatte ich voll ins Schwarze getroffen.

Mein dritter schwuler Freund: als ich neu in die Firma kam, war er der erste, der ernsthaft Interesse an mir bekundete. Wir gingen gemeinsam in die Kantine und verbrachten viel Zeit nach Feierabend miteinander. Sogar eine Reise über das Wochenende planten wir. Er war ein ganz lieber, netter Kerl und sah dazu noch verdammt gut aus. Als wir eines Abends in einem Club waren, schrie ich ihm ins Ohr, dass ich noch keinen hübschen Typen gesehen hätte an dem Abend. Er: "Nein, ich auch nicht." Ich: "Und was ist mit den Frauen?" Er: "Die guck ich nicht an." Ich: "Hä?" Er: "Na, ich bin doch schwul." Gut, dann würde das wohl nichts mehr mit uns werden. Schade
eigentlich.

Mein vierter schwuler Freund: mit ihm bin ich zusammen zur Schule gegangen. Ein Mädchen aus der Stufe war seit der siebten Klasse hoffnungslos in ihn verliebt, aber vergeblich. Er ließ sie immer wieder abblitzen. Nach dem Abitur begann er eine Ausbildung zum Schiffsbauer und segelt seitdem um die Welt. Vor kurzem sagte mir eine Freundin: "Du, der Manfred ist schwul. Er hat sich geoutet und möchte, dass es alle wissen." Ist es ein Vorurteil, wenn ich sage, ich hätte es damals schon gewusst?
christoph (Gast) - 5. Sep, 20:00

ja, ich bin auch immer wieder überrascht, wenn ich so mal in meinem bekanntenkreis überfliege, wieviele homosexuelle darunter sind. kunden, auftraggeber, partner, partyveranstalter usw. usf.

man könnte sagen "is ja auch kein wunder, wenn du in köln wohnst" und das ist wahrscheinlich auch so, aber trotzdem. bestimmt liegts auch an meinem business, daß ich auf so viele homosexuelle treffe, aber das ist ja auch okay so ;)

madamesauvage - 5. Sep, 20:24

Ich habe mir vor kurzem sagen lassen, Frankfurt sei die heimliche Hauptstadt in Sachen Homosexualität. Man spricht von einem Anteil in Höhe von 10% gleichgeschlechtlich gesinnter Männer.
Ich bin gespannt...
Chaot35 - 5. Sep, 23:20

ich glaube nicht das es in frankfurt mehr schwule gibt als in köln.
obwohl ausser über die medien merkt man das kaum. und wenn? wen interessierts?
madamesauvage - 6. Sep, 07:43

Ich kenne weder die eine noch die andere Szene. Deshalb kann ich nicht empirisch belegen, wer nun Spitzenreiter ist.
Dennis (Gast) - 5. Sep, 20:55

Kenn ich

Geht mir ganz genauso. Vor ca. 2 Jahren habe ich nach langer langer Zeit mal wieder etwas von einem alten Schulfreund gehört. Unter anderem hat sich dabei geoutet. Ich ziemlich überrascht. Ok, er war immer schon sehr sensibel, aber daran hatte ich trotzdem nie gedacht... Aber solange er damit glücklich ist, freut es mich für ihn.

Dennis (Gast) - 5. Sep, 20:57

Ich wollte nur mal schnell anmerken, dass das Eingabeformular zwei meiner Wörter einbehalten hat. Im dritten Satz gehört noch ein 'er' hinein, und sein Nachfolger vermisst ein 'war'.

(Ich hoffe mal, dass das jetzt nicht nochmal passiert. Sonst steh ich ziemlich doof da. ;)
madamesauvage - 6. Sep, 07:43

Es sieht nicht so aus. Also stehst Du auch nicht als doof da. Außerdem kann man die Sätze im Zusammenhang trotz fehlender Worte gut verstehen.
Chinaski - 5. Sep, 23:25

Du hast aber ins Gesamt mehr als nur 4 Freunde gehabt! Richtig?!

madamesauvage - 6. Sep, 07:44

Richtig. Die anderen waren allerdings nicht schwul.
herr-schmidt - 6. Sep, 14:13

Da merkt man, dass ich "vom Dorf" komme (oder keine Freunde habe): Ich kenne weiß von niemandem, der homosexuell ist.
Eigentlich schade... (Nein, ich bin nicht schwul! Wäre nur interessant, irgendwie)

madamesauvage - 6. Sep, 15:06

Einspruch. Ich komme auch vom Dorf!
herr-schmidt - 6. Sep, 15:55

Na toll, dann liegt es also doch daran, dass ich keine Freunde habe!

...oder aber es gibt feine Unterschiede in der Klassierung "Dorf". Vielleicht kommst Du aus einer metropolesken Dorf-Variante und ich aus...äh...Solingen halt!
madamesauvage - 6. Sep, 17:26

Solingen ist eine Metropole, Weltstadt geradezu im Vergleich zu meinem bescheidenen 3000-Seelen-Dorf. Aber um die Aussage zu relativieren: bei den sich Outenden handelt es sich zum Teil um Millionenstadtbewohner.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du keine Freunde hast, nur eben keine homosexuellen.
NBerlin - 6. Sep, 21:04

Ich habs auch mit den schwulen Männern, irgendwie finden die mich und ich sie auf unerklärbare Weise Klasse, aber bisher hat mir noch keiner die Zunge in den Hals gesteckt! ;-)

madamesauvage - 6. Sep, 21:30

Und von den Männern, die das irgendwann einmal getan haben, hat sich auch später keiner anders entschieden? Kann doch sein, oder?
NBerlin - 7. Sep, 22:24

Also da ich nicht mehr mit allen Kontakt habe, könnte das allerdings sein, aber was ich verschwieg ich war auch mit Männer zusammen die Homoerfahrungen hatten, also wer weiß wie sich letzt endlich entschieden haben...;-)

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